CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)

Ulver - Wars of the roses
(45:34, Kscope / edel, 2011)

"Ulver - aus Erfahrung anders" möchte man hier variieren. Das Einzige, was ihren bislang durchlaufenen Phasen aus Black Metal, Neofolk, Industrial, Drone, Ambient, wie für das ECM-Label geschriebener Nordic Jazz, Trip Hop bzw. Trip Prog und ihre besonders schwierig zu kartographierende aktuelle Phase gemeinsam war, ist die überbordende Musikalität, Originalität und handwerkliche Exzellenz. Ansonsten kann man beispielsweise "Bergtatt", das geniale "Themes from William Blake's The Marriage of Heaven and Hell" und "Perdition City" kaum für das Werk ein und derselben Formation halten. Der Ulver-Fan, der ihr jüngstes Opus "Wars of the roses" auflegt, wird sich - vermutlich - mal wieder verlieren. Denn hier lockt eine Zauberwelt, vom Leitwolf Garm heraufbeschworen durch männlichen Schamanen- und weiblichen Lockgesang, tastende Flügelfiguren, Loops, echte Celli, singende Säge-Sounds, Mönchschöre, Kirchenorgel, Gemurmel und atonales Klarinetten-Getröte. All dies kündet uns von den Rosenkriegen in "England" (Songtitel) sowie vom generellen Zustand des Planeten und unserer Kultur. Gaststars wie Stephen Thrower (u.a. sax; Coil, Cyclobe), Stian Westhus (guit, u.a. Monolithic, Nils Petter Molvær), Steve Noble (drms; u.a. The Bow Gamelan Ensemble) oder Alex Ward (clar.; u.a. London Improvisors Orchestra) machen diese Rosenkriege besonders kostbar. Vor satanischem Metal muss hier niemand mehr Angst haben, wohl aber vor Unergründlichkeit und Vielfalt: Ein Song wie "Providence" könnte der Remix eines Antimatter-Stückes sein, "Norwegian Gothic" eine Avantgarde-Aufnahme.

Klaus Reckert



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