CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)
Anyone's Daughter mit Heinz Rudolf Kunze - Calw Live
(49:36 + 38:48, Tempus Fugit, 2011)
Der 3.August 2002 war ein besonderer Tag. Nicht nur, dass im schwäbischen Städtchen Calw im Rahmen der Festivitäten zum damaligen Hessejahr ein musikalisches Festival mit mehreren Bands stattfand, auch das Wetter spielte an jenem Tag mit. Auf dem pittoresken Marktplatz des Geburtsorts von Hermann Hesse fanden sich rund 9.000 Zuschauer ein, um diversen Interpreten, mehr oder weniger im Geiste mit Hermann Hesse verbunden, zu lauschen. Neben Steppenwolf, die ihren Bandnamen einem nicht gerade unbekannten Buch Hesses entliehen haben, traten zudem Anyone's Daughter auf, die ihr zu jenem Zeitpunkt seit über 18 Jahren nicht mehr gespielte Epos "Piktors Verwandlungen" - ebenfalls ein Werk von Hermann Hesse - aufführten. Als Gast hatte man Heinz Rudolf Kunze an Bord, dessen eigener Band Anyone's Daughter Keyboarder Matthias Ulmer seit vielen Jahren angehört. Als Einleitung folgten zwei alte Nummern ("Swedish nights" und "Between the rooms"), bevor man "Piktors Verwandlungen" in beeindruckender Weise wieder belebte. Und die Magie des rund 40-minütigen Stückes funktionierte auch noch dieser langen Zeit. Selbst in den ruhigen Passagen war die Stimmung auf dem Marktplatz auf das Zuhören fokussiert, so dass in einigen Zwischenpassagen aber vor allem erst gegen Ende dessen Aufführung der verdiente Beifall aufbrandete. Es war der Band gelungen, die Essenz in das Hier und Jetzt zu transportieren und ihr kommerziell erfolgreichstes Stück zu neuem Leben zu erwecken. Im Herbst des gleichen Jahres gab es nochmals eine Fortsetzung, wurde in Heidenheim u.a. mit ex-Anyone's Daughter Frontmann Harald Bareth als Gast bei der Zugabe das Stück nochmals gekonnt wieder belebt. Schon 2002 war "Piktors Verwandlungen" vom Radiosender SWR1 mitgeschnitten und gesendet worden, auf "Calw Live" bekommt man nun das komplette Konzert zu hören, das im zweiten Teil neuere Titel vom damals aktuellen Album "Danger world" folgen lässt, bevor die Anyone's Daughter Hymne "Moria" das Konzert beschließt und man mit der John Lennon Nummer "Imagine" den Auftritt stimmungsvoll beschließt. Sicherlich ist der aktuelle Anyone's Daughter Frontmann André Carswell der weitaus bessere Sänger als sein Vorgänger, doch manchmal wirkt seine Zuschauer Anmache etwas gewöhnungsbedürftig, aber trotzdem irgendwie sympathisch. Nichtsdestotrotz wird mit diesem Album einem wirklich denkwürdigen Konzert Tribut gezollt, auch wenn es auch schon wieder knapp 9 Jahre her ist, dass der Mitschnitt entstand. Wie doch die Zeit vergeht...
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2011