CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)
Rigoni / Schönherz - Victor / A symphonic poem
(75:38, MiG Music, 1975)
Die ursprünglich im Jahre 1975 von den in der Wiener / Österreichischen Musikszene bekannten Komponisten und Musikern Manuel Rigoni - Schlagzeug und Richard Schönherz - Gesang & Tasteninstrumente veröffentlichte sinfonische Rockoper hatte leider nicht den erwarteten Erfolg. Die Kosten für ein opulentes Langspielplattenlayout, für die Produktion mit neun verschiedenen Toningenieuren in sechs unterschiedlichen Tonstudios (unter anderem den Abbey Road Studios) sowie für das Royal Philharmonic Orchestra und dem Wiener Akademie Kammerchor konnten durch den damaligen Verkauf nicht gedeckt werden. Eigentlich sehr schade, da die äußerst abwechslungsreiche musikalische Inszenierung zwischen Klassik, Rock und poppigem Kompositionsgut noch heute seine Reize hat. Es wäre enttäuschend, wenn die Wiederveröffentlichung von MiG-Music im schön gestalteten Digibook mit 24-seitigem künstlerisch ansprechend gestalteten und informativen Booklet wiederum floppen würde. Erzählt wird in dieser 76-minütigen Sinfonie-Rockoper mit englischsprachigem Gesang die Geschichte von Victor, der in einem abgewirtschafteten Zirkus aufwächst. Seine Mutter sitzt im Rollstuhl, sie ist als Trapezartistin verunglückt. Victors Vater arbeitet als Clown und möchte, dass auch sein Sohn ein Clown wird. Victor muss auftreten, kommt mit der Rolle nicht zurecht und der Zirkus wird ihm zum Alptraum. Am Ende verlässt er seine Eltern und den Zirkus. So profan die Geschichte im ersten Moment klingt, so handelt es sich aber um eine sensibel und komplex umgesetzte Inszenierung über die Kraft der Jugend und ein Plädoyer gegen die Obrigkeit, Krieg und Grausamkeiten. Insofern ist die musikalische Umsetzung im Wechselspiel zwischen klassischer Musik/Kammermusik, sphärischen / psychedelischen Phasen, rockigen und krautigen Grooves im Stil der späten 60er und frühen 70er Jahre, einigen Samples mit unterschiedlichsten Geräuschkulissen sowie eingängiger Melodien nun wirklich nicht langweilig. Ach ja - es gibt außerdem einige charmante bluesige Noten, jazzige Klänge, avantgardistische Disharmonien und auch Balladeskes zu hören. Zu dieser vielseitigen instrumentalen Inszenierung werden auch noch hörenswerte Gesänge von drei Protagonisten geboten, wobei den Hauptgesang mit ansprechendem Timbre Richard Schönherz selber übernimmt. Auf dem Stück "Song of life" singt der kürzlich, am 20. März 2011, verstorbene österreichische Kopf der Funk 'N' Soul Truppe Supermax. Ergänzend hört man schon mal Chorgesänge und es werden hin und wieder Sprachsamples wie zum Beispiel "Ladies and Gentlemen, we proudly present Jimi Hendrix, Brian Jones, Janis Joplin, Jim Morrison, Tim Buckley and......." am Ende einer Oldie-Beatnummer eingeblendet. Anschließend wird dann überraschenderweise in pompöser und dramatischer Klassik weiter musiziert. Neben den vielen klassischen Orchestermelodien sowie abwechslungsreichen Stimmungs- und Genrewechseln ist für mich außerdem das mit Patina behaftete gefühlvolle und auch rockige Gitarrenspiel von Harry Stojka und Johan Daansen besonders charmant. Zusätzlich bin ich von den an Jon Lord, Keith Reid, David Sinclair und vor allem Rick Wright erinnernde Keyboardsounds eines Richard Schönherz begeistert. Insofern mag ich abschließend ein großes DANKE SCHÖN an das Label Made In Germany Music - MiG aussprechen, welches dieses verschollene Juwel anspruchsvoller sinfonischer Rockmusik wieder ans Tageslicht gebracht hat.
Wolfram Ehrhardt
© Progressive Newsletter 2011