CD Kritik Progressive Newsletter Nr.72 (97/2011)

Radiohead - The king of limbs
(37:33, Ticker Tape Ltd, 2011)

Selbst Radiohead können sich nicht mit jedem Album komplett neu erfinden. Nach dem wunderbaren Statement von "In rainbows" vor vier Jahren ist "The king of limbs" so etwas wie ein Streifzug durch die eigene Historie. Der erste Teil des Albums erinnert mit seiner kalten, vermehrt elektronischen Herangehensweise an die kaputte Klangästhetik des epochalen 2000er Werks "Kid A" oder Thom Yorke's Soloalbum "Eraser". Dafür wird im zweiten Teil des Albums mehr dem melancholischen Weltschmerz Alternativ Rock gehuldigt. Natürlich klingen Radiohead bei Leibe nicht nach Alltagsware und experimentieren vor allem im Elektro-Klangbereich mit sehr interessanten Höreindrucken. Aber trotzdem ist "The king of limbs" eine kleine Enttäuschung. Vor allem die elektronisch geprägten ersten vier Songs setzen mit Loops, Echos und holpernden Rhythmen zu sehr auf die Faszination der ratternden Klänge. Leider lässt das Material dabei kompositorische Griffigkeit vermissen und rauscht selbst nach mehrmaligem Hören ohne rechten Erkennungswert vorbei. Das wirkt einfach zu verkopft, zu distanziert. Für die eigene Wahrnehmung sicherlich andersartig, bis zum Herzen dringen die Noten jedoch nicht vor. Wesentlich besser und schlüssiger sind die vier mehr organischen Titel im hinteren Teil von "The king of limbs" ausgefallen. Endlich sind hier erkennbare Melodieführungen und atmosphärischer Tiefgang zu finden, ist die Elektronik nur noch eine gut eingebrachte Komponente, die die Musik stützt, statt sie zu zerfasern. "The king of limbs" ist damit eben nur zum Teil gut, aber letztendlich keineswegs essentiell.

Kristian Selm



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