CD Kritik Progressive Newsletter Nr.71 (04/2011)
Jono El Grande - Phantom stimulance
(38:57, Rune Grammofon, 2010)
Knapp 39 Minuten lang, diverse Songs haben bereits einige Jahre auf dem Buckel - glatt bin ich verführt zu meinen, nach seinem blitzartigen Erfolg mit "neo dada" 2009 muss schnell ein weiteres Album nachgeschoben werden, bevor Jono Der Große nicht mehr im vorderen Bewusstseinskasten sitzt und den Musikgeschmäckern Vitaminwohlgefühle ins Bewusstsein bläst. Doch weit gefehlt, wenn "neo dada" ein cooles, grandioses Album ist, macht "Phantom Stimulance" (guter Name, ist es nicht?!?) erst richtig den Erlebnisfaktor groß. In der Inspiration sitzt wie Australiens Ayers Rock niemand anderes als the Master himself: Frank Zappa. Die 11 Songs sind komplex, instrumental Grandezza El Grande, vom feinsten wird aufgetischt, quasi nichts wird hinter der Bühne behalten, die schmeißen alles rein, knüppeln komplexe Technikmätzchen, erschöpfen sich in wahnsinnigen Jamsessions, nicht ohne hier und da lyrische Perlen kullern zu lassen und machen den Laden so absolut fett und scharf, dass nichts bleibt, als sich süchtig und trunken in die Tonfluten fallen zu lassen und den tonalen Rausch im Stück zu genießen. Opener "Borrelia boogie", keine zwei Minuten lang, macht schon mal klar, wohin die Chose zieht. Etliche trefflich satte Rocker und Komplex-Progjazz-Zappaesken perlen verrückt und vital aus den Boxen, hier und da von einigen Melancholie-Tupfern zum Verschmachten angehalten und wieder auf Tour gebracht. Die Bläsercrew ist kernig, die Rhythmusfraktion bekommt den Prog-Orden in Gold und Mallet-Spieler Erik Fossen Nilsen, stets im Vordergrund, diverse Soli, rasantes Spiel, deutlicher Anschlag, Ruth Underwood im Blut, bekommt den Extra-Orden. Wie auch der große Boss, Jono, der sich die ganze Geschichte ausgedacht hat und nach mindestens drei Vorgängeralben (deren erste beide nicht diese Qualität haben und in der Historie weitgehend verschütt gegangen sind) diesen Edelstein lässig aus der gebügelten Brusttasche zieht. Gerade einmal zwei neue Songs sind auf dem überwiegend instrumentalen, und wenn, zumeist von lautmalerischem, beabsichtigt mallerten Gesang angeturnten Album, die restlichen Stücke stammen aus den Jahren 1997 bis 2010, und haben hier ihre beste Präsentation bekommen. Alles glatt gebügelt? Nix! Die Songs sind erheblich schräg, technisch erstklassig gespielt, der Sound ist satt und energisch, die Band kommt aus den Boxen, als sollte es nichts Besseres geben, als genau davor zu sitzen. Wie es so denn auch ist. Hat Humor was in Musik zu suchen? Hier die Antwort.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2011