CD Kritik Progressive Newsletter Nr.70 (11/2010)

My Brother The Wind - Twilight in the crystal cabinet
(59:38, Transubstans Records, 2010)

Es ist erstaunlich, was herauskommen kann, wenn sich ein paar Musiker zusammenfinden, um ohne jegliches Üben, aber mit einer gemeinsamen instrumentalen Sprache ein Album aufzunehmen. My Brother The Wind bestehen aus Nicklas Barker (Anekdoten); Mathias Danielsson (Makajodama) an den Gitarren, Ronny Eriksson (Magnolia) am Bass und Tomas Eriksson am Schlagzeug. Im Mai 2009 traf man sich für eine zweistündige, spontane Session, "Twilight in the crystal cabinet" hat aus diesem Treffen rund eine Stunde der besten Momente extrahiert. Mit vielen Verzerrungen und heulenden Saiten, aber auch druckvoller Rhythmik geht es gut, zugleich sehr gefühlvoll zur Sache. Meist wird ohne Umschweife das Tempo sehr schnell und ziemlich geradeheraus aufgenommen, bei einigen Titeln schwebt man in Zeitlupe davon. Die einzelnen Titel klingen weniger nach einem kompletten Song, sondern wie ausufernden Soloteile, die aus einem Gesamtkontext herausgelöst wurden. Das macht deswegen trotzdem Laune, weil die vier bestens zusammenpassen. Die Rhythmusmaschinerie gibt einfach schnurstracks die Richtung vorgibt, lässt den beiden Gitarristen jedoch genügend Freiraum für verhallte, fuzzige Soloexkursionen. Wer mit freien Strukturen nur wenig anfangen kann, wird hier natürlich nicht glücklich werden. Auch das Terrain der eigentlichen Bands der Beteiligten spielt hier nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dennoch wird hier auf gekonnte Weise dem spontanen Spiel der Vergangenheit mit sehr viel spielerischer Inspiration gehuldigt und richtig gut losgejammt.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2010