CD Kritik Progressive Newsletter Nr.69 (07/2010)

Radio Massacre International - Time & motion
(78:33, Cuneiform Records, 2010)

Das vorliegende Doppelalbum wurde 2009 in der üblichen Trio-Besetzung mit Duncan Goddard (electronics / bass), Steve Dinsdale (electronics / percussion) und Gary Houghton (guitar / electronics) eingespielt. Für zusätzlichen frischen Wind sorgt der Gastmusiker Martin Archer (wind instruments / electronics). Die Briten haben in dieser Besetzung schon einige Alben aufgenommen und sich in gewissen Kreisen bereits einen Namen gemacht. Wer die Musik des Trios kennt, wird von "Time & motion" kaum überrascht werden. Was hat jemand zu erwarten, für den RMI komplettes Neuland darstellt? Schwer zu sagen, einigen können wir uns aber ganz schnell darauf: Instrumentalmusik. Teils gut strukturiert, teils stark auf Improvisationen angelegt. Sicherlich ist das Elektronik-Genre ein Bereich, in den man Teile der RMI Musik einordnen kann. Es gibt ein paar Berliner Schule Ansätze, aber auch einige sehr langsam entwickelte, ausgesprochen leise Elektronik-Töne. Doch dieses Album ist nicht bei Syngate, Spheric Music, Manikin oder Neu Harmony erschienen, sondern bei Cuneiform. Dann erwartet man also - zu recht - auch mal schräge Töne. So wie es hier bisweilen auch passiert. Aber auch das ist eher nur ein kleiner Teilbereich, denn wirklich schräg wird es kaum. Spacige Passagen sind ebenfalls hin und wieder zu vernehmen, ebenso aber auch krautige Elemente. Und auch der RetroProg-Bereich wird gestreift. Es gibt Gitarrenparts, die ein wenig floydig daherkommen, andere Passagen erinnern mich eher an Richard Pinhas. Gerne werden atmosphärische Parts mit Hilfe eines Mellotron-Einsatzes erzeugt, um dann wieder von Gitarren-/Tasten-Jams abgelöst zu werden. Die Songs sind wie gesagt sehr breiträumig angelegt, die Spielzeiten sind mit einer Ausnahme zweistellig (zwischen 9 und 24 Minuten). Eine besondere Note bringt Martin Archer mit seinem Spiel an Saxophon, gelegentlich auch Flöte oder Klarinette, ein. Beide CDs sind randvoll gepackt (und exakt gleich lang), und so wundert es nicht, dass es hin und wieder etwas langatmig erscheint, aber zusammenfassend kann ich den Briten ein durchaus gelungenes Instrumentalalbum mit breitem Spektrum bescheinigen, das mich in weiten Teilen gut zu unterhalten vermag.

Jürgen Meurer



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