CD Kritik Progressive Newsletter Nr.69 (07/2010)

Unitopia - Artifical
(51:33, InsideOut, 2010)

Für mich eines der 2010 bislang interessantesten Alben ist das neue Werk der Australier. Die schon '96 gegründete Formation brachte es auf drei Alben, für rund 15 Jahre ein nicht eben umfangreiches Output an Musik, vergleicht man es mit Gruppen wie z.B. Flower Kings... Doch lieber Qualität denn Quantität, denke ich, und "Artificial" kann sich sehen und hören lassen. Die Gruppe unter der Leitung von Sänger Mark Trueack und Gitarrist Sean Timms versteht es auf beinahe geniale Art und Weise, die verschiedensten Stilrichtungen zu einem einheitlichen Ganzen zu verschmelzen. Das ist kein Neo-Prog oder Retro-Prog. Das ist, könnte man vielleicht sagen, "Crossover-Prog", und das ausgelutschte Wort "progressiv" bekommt hier eine ganz neue (alte) Bedeutung. Mein Lieblingssong ist der 13-minütige Longtrack "Tesla", nicht weil er lang ist, sondern weil da so viele Ideen drinstecken, dass andere Bands allein daraus ein Album schustern würden. Sehr viel rockiger geht es in "Not human anymore" zugange, aber immer noch im Rahmen des typischen Unitopia-Stils, hier kommen einem etwa Soundgarden auf Prog-Trip in den Sinn. Die kraftvoll und mit Verve gespielte Akustikgitarre erinnert mich ein wenig an die Amerikaner Tantric. Wirklich toll gemacht. Mit "Nothing lasts forever" schaffen es Unitopia sogar, ganz locker eine Beatles-Hommage vom Stapel zu lassen. Einzig der Titelsong klingt vom Refrain her etwas zu glatt für meine Ohren. Und die sonstigen Einflüsse: die rangieren von Prog neuerer Prägung (entfernt IQ) bis hin zu 70er Heroen wie Genesis, da gibt es Klanglandschaften im orchestralen Gewand, fast wie Filmmusik, und hier und da ein wenig Ausflüge in den Jazzrock und zu Fusion, und die Gesangslinien der Refrains sorgen stets dafür, dass nichts überdreht wirkt und man als Hörer den Bezug zum Song als solchem nicht verliert. Hinzu kommt, dass das Album eben aufgrund der Songwriter- und Arrangement-Qualität sehr kurzweilig klingt. Dass die technischen Fertigkeiten der Musiker ebenfalls keine Wünsche offen lassen, scheint dabei nur noch obligatorisch zu sein... Hier ist nichts in die Länge gestreckt und breitgewalzt. Für mich endlich mal wieder ein spannendes hochwertiges Album, das man sehr sehr oft hören kann!

Markus Schurr



© Progressive Newsletter 2010