CD Kritik Progressive Newsletter Nr.69 (07/2010)

Snowball - Cold heart
(39:25, Sireena Records, 1979)

"Cold heat" ist ein cooler Name für Jazzrock. Die Spannung des Sounds hat einen Namen, und die potentiellen Fans bekommen einen provokativen Titel vorgesetzt, der neugierig macht. Jedoch, Jazzrock ist nicht drin. Curt Cress hatte sich für das zweite Snowball Album 1979 umgekrempelt. Jazzrock war Vergangenheit. Diskomusik war angesagt. Und so startet die Platte auch. "Move to the music" ist ein funky Dancetrack, der keine anspruchsvolle Rockmusik, sondern just for fun perfekte Tanzmusik ist. Gefolgt von dem ebenso Funk-trunkenen "New York City", nicht weniger tanzbar, und ein paar Prisen instrumentalen Jazzrock-Erbes stecken dem Song gar noch in den Knochen. Die runderneuerte Band war auch optisch ganz auf Disko eingeschworen. Neben Curt Cress (dr, perc), Kristian Schultze (keys), Frank Diez (g), Günter Gebauer (b) und Eddie Taylor (voc, ts) waren die Gäste Dave King (b), Dave & Mick Jackson (back voc) und Patricia Shockley (back voc) an den Aufnahmen beteiligt. Auf der Bühne machte sich der Sound mit den schwarzen Musikern gleich doppelt gut, das groovige Funk-Feeling hatte die passende Optik und die perfekte Bewegung. Der Titeltrack ist tatsächlich Jazzrock, Funk-triefend, mit abstrakter Melodie, der Rhythmus ein Mix aus komplexem Jazzrock und straightem Diskogroove. Für die Fans extravaganter Klänge war das glatter Stilbruch und Pop pur, aus heutiger Perspektive und abgeschwollenen Emotionen kann der Track als fetzig durchgehen, eines macht gerade dieser Song klar, ein Zurück zum komplexen Sound war nicht drin, diese Variante Jazzrock war das letzte bisschen Jazz und Rock, die Orientierung der Band hatte davon noch diesen Rest und den mixte sie ihrem neuen Funk-Disko-Groove ein. Die Band spielt technisch erstklassig, sehr dynamisch und extrem virtuos, allein was Trommelmeister Cress am Drumset abfeuert, ist enorm und beeindruckend. Allein, was die da spielen, bedarf eigentlich weitaus weniger, Snowball gehörten mit "Cold heat" wohl zu den versiertesten Musikern im Diskogenre. Alte Schule! Balladen, knackfrische Funk-Tunes und Diskorock folgen auf LP-Seite 2. Die 8 Songs, immer wieder einmal Jazzrock-Reste draufhabend, sind komplett poporientiert und nix und never Avantgarde. 39:25 Minuten lang und ohne Bonustrack wird die CD ein Publikum finden, das heute zu schwer dafür ist, wozu es sich früher leicht und schick zurechtgemacht verliebt bewegt hatte.

Volkmar Mantei



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