CD Kritik Progressive Newsletter Nr.68 (03/2010)

Prymary - The enemy inside
(57:07, ProgRock Records, 2009)

Populäre Musik, und Prog Metal ist ein Teil davon, ist längst Weltmusik. Progressive Metal kommt aus Griechenland, Asien, Südamerika, aus Alaska, Russland und Südafrika, kann Motive der Folklore begleitend tragen, die dort zu finden ist, wo die Sozialisation der Musiker stattgefunden hat. Und doch wird Progressive Metal - um hier im Genre zu bleiben, das Prymary antreibt, aktive, kreative Musiker zu sein - überall als eben das zu erkennen sein, was es ist. Eine radikal harte Spielart progressiver Musik, enorm komplexe Spielart des Heavy Metal. Längst im Bewusstsein der Jünger und Fans und szeneübergreifend fest angedockt und als Stil mit steten Updates installiert, hat Prog Metal seine erste Hochzeit gehabt und sich in künstlerisch wertvoller wie deprimierend gewollter und nicht gekonnter Weise ausgedrückt. Und wie in allen Musikstilen, die ihre bare Existenz im brennenden Fokus ihrer kreativen Forscher und konsumierenden Nutzer haben, sterben Bands und Musiker nicht aus, die ihre Inspiration im Genre ausleben, in der Hoffnung und guten Möglichkeit, sich und ihre Ideen im hörenden Volk zu verankern. Prymary kommen aus dem südlichen Kalifornien und haben ein aufwendiges Werk eingespielt. Jackson Heskett (voc), der eine in meinen Ohren etwas dünne Stimme hat und der Modulation breite Möglichkeiten zu nutzen vielleicht nicht unbedingt gewachsen ist, Sean Entrikin (g), der es viel leichter als der Sänger hat, weil er längst nicht körperlich so herausfordernde Eigenschaften ausschöpfen muss, Riffgewitter in komplexester und leichtester Weise lässig gut zu spielen weiß, dabei jedoch nicht der Solist vor dem Szenegott ist, Smiley Sean (key), der mich in seinem melodisch partiell überaus aktiven und harmonisch liebenswerten Spiel schon mal an amerikanische Rockklassiker erinnert (dummer Weise fällt mir da zuerst Billy Powell (R.I.P.) ein, der der Band mit den 4 Y lange Jahre treu gedient hat, Rob Young (b), der für mich den erstklassigen und spieltechnisch aufregendsten Part vital und energisch mit Verve auslebt und Chris Quirarte (dr, perc), der ein hervorragend komplexes Rhythmusverständnis hat und als Techniker die obersten Glühbirnen zum Platzen bringt, haben ihr bereits drittes Album ausdrucksstark gelingen lassen. Da war viel Übung, Überarbeitung und Ausarbeitung einer schier endlosen Zahl an Themen, Motiven und Noten notwendig. Die Songs klingen heavy und locker, rocken die Socken heiß und können in aller Deftigkeit schwere Komplexe rasant ausführen, anders herum: so komplex der Stoff auch ist, den die Band hier mit Lust und Spielwitz gibt, so brutal und krachig rockt das Zeug auch. Gewiss sind nicht alle Ideen der Krönung Sahnehäubchen. Manches Break haben die Größen der Szene schon so oft und markant gegeben, dass der "Ach ja"-Effekt unbewusst schnell einklickt, manche Keyboardtapete gähnt wie ein schwarzes Loch und des Sängers Künste liegen brach vor des Bassisten Radikalwitz. Doch wo der Drummer hinschlägt, wachsen ökogrüne Liebesperlen in den Verzückungszentren des Hörvermögens, und so manche lang ausgeführte instrumentale Partie macht Laune, dass die Worte vor Ehrfurcht ersterben. Die Handlung der Themen: und wer zuviel liest, weiß, dass der nicht so viel Wert auf das gesungene Wort legt, sondern viel mehr auf jede instrumentale Extravaganz, ist erstaunlich gut ausgebaut, scheut einige Schlappen nicht und kann mal etwas platt wirken, hat aber seine Aussage und seinen (guten) Geist. Selbstzerstörung und Traumverwirklichung: das etwa können die Überschriften sein. Nicht das 5-teilige Einstiegwerk "The enemy inside" allein, ein energisch-vitaler, grandios verschachtelter Longtrack, ist die beste Nummer der Platte. Zum Schluss holt die Band ganz groß aus und stopft 20 Minuten "Trial and tragedy" in die längst besoffenen Ohren ihrer Fans. Und da steckt unsagbar viel drin: instrumentale Komplexe zum Genießen, viel Textumfang für Mitdenker, dünner Gesang (auf wenig aufregenden Gesangslinien), einige Blechkeyboardpassagen und fade Nebensächlichkeiten, aber eben auch viel edles Musikgut, das wirkungsvolle Vitamine in die Hörgene schickt, wo die sich wie Droge verbreiten. Nicht zuletzt: schönes Werk mit Schatten.

Volkmar Mantei



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