CD Kritik Progressive Newsletter Nr.68 (03/2010)

Proghma-C - Bar-do travel
(56:22, Mystic Productions, 2009)

Die Werbeabteilung redet bei Proghma-C gar nicht groß um den heißen Brei herum und rührt gleich mal kräftig mit Tool / A Perfect Circle im Promoteller herum. Und richtig: zu Beginn glaubt man wirklich nur einem Klone, wenn auch einem recht guten, zu lauschen. Die polnische Formation und ebenfalls deren Sänger Piotr "Bob" Gibner klingen stark verdächtig nach Maynard James Keenan und Konsorten. Natürlich wäre ein reines Kopieren auf gesamte Albumlänge letztendlich zu einseitig bzw. zu plakativ. Genau in der Besinnung auf die eigenen Stärken liegt die eigentliche Faszination des Vierers aus Danzig. Proghma-C verbinden viele moderne Metal Elemente, wie rasiermesserscharfe Riffs und Nu Metal Einflüsse, mit technisch anspruchsvollen, aber nie zu überladenen Breaks, sowie einer urbanen, distanziert und irgendwie unterkühlt wirkenden Atmosphäre. Hier ist Raum für ruhige, stimmungsvolle Zwischentöne, gibt es trotz sehr viel vertrackter Härte Ruhepole im aggressiven Soundgewitter. Die Band gibt sich sehr offen gegenüber klanglichen und genreübergreifenden Experimenten. Mitunter bahnen sich ambient-artige Soundkollagen ihren Weg, dann sind es heftige, sorgsam konstruierte Riff- und Rhythmusattacken oder sehr extremer Schreigesang, der unwillkürlich das Ende der Welt heraufbeschwört. Dass man zudem eine recht eigenwillig Neuinterpretation von Björks "Army of me" an das Ende des Albums stellt, leuchtet eine weitere interessante Facette dieser Band aus. Die Vermischung aus trance-artiger Düsternis und anspruchsvoller Instrumentalakrobatik, die sich aber nie in alleiniger Selbstverliebtheit verliert, wirkt kühl durchdacht, verfügt aber dennoch über ein spannendes Eigenleben. Nicht von ungefähr wurden Proghma-C deswegen auf das prestigeträchtige Prog Power Festival 2010 eingeladen.

Kristian Selm



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