CD Kritik Progressive Newsletter Nr.68 (03/2010)

King Of Agogik - The rhythmic drawing room
(67:02 + 67:35, sAUsTARK Records, 2009)

Willkommen im Zirkus! Ihr wollt Spaß? Unterhalten werden? Kurzweilige Clownerien? Halsbrecherische artistische Akrobatik? Überraschende Frechheiten und Herzklopfen verursachende Artistik samt Gauklerschrecken? Nun, nicht alles, was der echte Zirkus so bietet, findet sich auf "The rhythmic drawing room". Aber mit welcher Verve und Eleganz, energischer Vitalität und lustbetonter Musiksucht der schlagzeugende Musikerfinder und Witzbold Hans-Jörg Schmitz ("meine Wenigkeit") diese zwei CDs randvoll mit Komik, Witz, hartem Rock, Jazz Rock und zappaesken Holterdipolter-Themenwechseln gefüllt hat, ist außerordentlich und in seiner längst nicht alltäglichen Sprache und Humorbetontheit von geradezu zirkushafter Witzigkeit. Beide mit rein instrumentaler Musik bepackte CDs sind 67 Minuten lang, es gibt Songs, die keine Minute lang sind, andere, die weit über 10 Minuten laufen. Allein 5 Longtracks sind auf der 2CD, der längste davon 23:55 lang. Hans-Jörg Schmitz, The King of Agogik (dr, sounds, key, g, b) fand Unterstützung in Dago Wilms (g, b, mand), Volker Cornet (b), Mathias Borbonus (b), Michael Elzer (Chapman Stick), Michael Schmoigl (b), Erik Vaxjö (mel, Moog), Enno Nilson (key) und Philipp Schmitz (key), die nicht überall gleichzeitig die riesige Bühne zum Überschwappen brachten, sondern nur hier und dort aktiv wurden. Ganz genau ist das auf den Innenseiten des Digipacks nachzulesen. Das Musiktheater bezirzt seine Jünger mit Unmengen an Ideen. Das dickste Ding ist "The disgusting life of Lupus W.", in dessen 13:38 die Themen gewechselt werden, wie, ähm, ganz schnelle Sachen sich einander. Eine verrückte Idee trifft auf die noch abgefahrenere, die wiederum, Musik gewordene Chaplinade, hier und dort und überall Dinge kaputt macht und die Zuhörer zum, zumindest, Schmunzeln bringt. Mit "Prog'n'Roll" gibt es einen stampfenden Rocker, der nicht ohne Komplexe auskommt. Als Gegenstück zur clownesken Note, die überwiegend beide CDs bestimmt, gibt es einige exzellente Dunkeltöne, wie die im achtminütigen "The old backyard", das die Inspiration des Schlagzeugers für auch düstere, melancholische Sounds bestens beweist. Die ganze umfassende Fülle der insgesamt 22 Songs ist nicht in Worte zu fassen. Die Produktion, jetzt Ende 2009 veröffentlicht, macht ungemein gute Laune, hat viel hochqualitativen und technisch komplexen Progressive Rock an Bord und überrascht mit bis zu Comic-artigem Humor. Kaum zu glauben, dass so viel abgefahrenes und gut gespieltes Musikmaterial zusammengekommen ist, die Freaks und Süchtigen mit Kauderwelsch, Komödie und Dramatik intensiv und beschwingt zu unterhalten. Die Vorgängeralben schon waren gut. Mit "The rhythmic drawing room" legt der Schlagzeuglehrer aber noch einige taffe PS zu, so abgefahren und flott, rasant und grandios, überraschend und kurzweilig war bislang keines seiner Alben. Und weil das Leben weiter geht, macht sich der King of Agogik im Januar 2010 mit seinen Kumpanen auf ins Studio, das Nachfolgewerk für die Nachwelt festzuhalten. Zweite CD am Ende. Beide gleich noch mal von vorn.

Volkmar Mantei



© Progressive Newsletter 2010