CD Kritik Progressive Newsletter Nr.68 (03/2010)

Jaga Jazzist - One-handed bandit
(53:48, Ninja Tune!, 2010)

Vier Jahre ließen sie ihre Fans warten, bevor sich das neunköpfige Musikerkollektiv mit einem sehr großen Ausrufezeichen zurückmeldet. "One-handed bandit" deckt eine musikalische Bandbreite ab, die sich gewaschen hat. Dennoch werden auf unheimlich lockere Weise Elemente aus Art & Progressive Rock, Elektronik, Afrobeat, Jazz Rock, Psychedelic, moderne Klassik und zappaeske Momente verschmolzen. Dieses Album groovt trotz aller Wendungen und hat dabei einen augenzwinkernden, sympathischen Charme, der ansteckt. Nix mit ausschließlich nordischer Melancholie, die Herren aus dem hohen Norden verstehen es einfach, scheinbar Komplexes geradezu luftig und fluffig aufzubereiten, ohne dabei den Anspruch zu verlieren. Das schier unüberschaubare Instrumentenarsenal mit jeder Menge Blasinstrumenten, Vibraphon, Marimba, elektronischen Spielereien, aber auch ganz normalem Rockinstrumentarium sorgt für überbordende, abwechslungsreiche Sounds und jede Menge klangliche Überraschungen. Es kracht und quietscht fortwährend im Hintergrund, gleichzeitig blubbern vordergründig die Beats und Posaune, Tuba, Saxophon und Klarinette tragen ihr Scherflein bei. Genauso werden hier gekonnt elektronische Spielereien mit verzerrten Gitarren und knarzendem Bass harmonisch ineinander verwoben. Lauscht man ganz genau, entdeckt man immer mehr von der klanglichen Vielfalt, den sich aufbauenden Soundschichten, die hier arrangementtechnisch ausgeklügelt wurden. Jedoch wirkt dies alles niemals zu überladen, sondern funktioniert auf erstaunliche Weise harmonisch miteinander. Gerade das ist die Raffinesse dieser Scheibe: mit sehr vielen Musikern entsteht zwar einen sehr dichtes Klanggeflecht, jedoch nie auf Kosten der immer funktionierenden Melodieführung und inneren Logik. "One-handed bandit" ist ganz großes Klangkino, das auch beim x-ten Mal immer wieder neue Details offenbart. Ein heißer Anwärter auf das Album des Jahres!

Kristian Selm



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