CD Kritik Progressive Newsletter Nr.68 (03/2010)
IOEarth - IO Earth
(66:29 + 27:35, Privatpressung, 2009)
Fluch und Segen des digitalen Zeitalters. Früher war es undenkbar, dass ein Newcomer gleich ein Doppelalbum in Eigenregie veröffentlicht. Mittlerweile stellen sich selbst "kleine" Bands diesem Wagnis und leben ihre künstlerische Freiheit komplett aus, da es heutzutage ganz andere Vertriebsmöglichkeiten gibt. IOEarth nutzten für ihr Vorhaben die sozialen Netzwerke MySpace und Facebook und knüpften so in wenigen Wochen neue Kontakte, was sich in Radio Airplay, Kritiken auf den verschiedensten Webseiten, aber auch positiv auf die Verkaufszahlen auswirkte. Hinter IOEarth verbirgt sich eine sechsköpfige, englische Formation, die ursprünglich aus der Freundschaft von Dave Cureton und Adam Gough entstand, mit dem langjährigen Wunsch, musikalisch gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Herausgekommen ist dabei ein Album, das einen sehr breiten stilistischen Bogen umfasst, plakativ gesprochen in erster Linie auf stimmungsvolle Atmosphäre und schöne Harmonien setzt. Aber eben nicht nur. Mit den verschiedensten, modernen Einflüssen aus sinfonischem Progressive Rock, Ambient, Rock, Pop, sogar eine Prise Jazz Rock und Klassik, reicht die Palette von sanften Momenten über klangliche, sphärische Spielereien bis hin zu wuchtiger Expressivität. Das alles jedoch eingebettet in ein überaus melodisches, teils poppiges Gesamtkonzept mit einem Schuss Mystik, der niemals den eigentlichen Song aus den Augen verliert. Gerade dadurch, dass man sich stilistisch nicht so einfach einordnen lässt, eröffnen die Songs eine inhaltliche Vielfalt und Abwechslung, die über weite Strecken das Album tragen. Mit mehreren Sänger/innen ist ebenfalls für gesangstechnische Variation gesorgt, auf der instrumentalen Seite werden u.a. Saxophon und Trompete zur Erweiterung der Klangfarben eingesetzt. Die Wechsel aus tendenziell eher geradlinigen Gesangstiteln auf der einen, aber ebenso teils experimentierfreudigen, temporeichen Instrumentalstücken auf der anderen Seite, sorgen für wohltuende Überraschungen, die dem Album die unterschiedlichsten, nicht immer zu erwartenden Wendungen verpasst. Man merkt diesem Debüt an, dass hier sehr viel Arbeit in die Details gesteckt wurde und die beiden Hauptsongschreiber eben nicht nur mit plakativen Einfällen ein Gesamtkunstwerk erschaffen wollten. Interessante Band, über deren MySpace Seite man sich seinen eigenen Höreindruck ermöglichen kann.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2010