CD Kritik Progressive Newsletter Nr.68 (03/2010)
Michael Gill - Blues for Lazarus
(49:54, ProgRock Records, 2010)
Man soll ein Album nicht unbedingt vorschnell nach seinem Titel beurteilen. Im Namen des Debütalbums des aus San Francisco kommenden Michael Gill findet sich zwar das plakative Wort "Blues", doch bis auf den gleichnamigen Titelsong findet man ansonsten von dieser ur-amerikanischen Spielart nur wenig bis gar nichts auf diesem Album. Vielmehr spannt der Klavierspieler, Komponist und Bandleader einen recht weiten Bogen von sinfonischem Progressive Rock, Jazz Rock, luftigem Bar Jazz bis hin zu anspruchsvollem Rock / Pop. Und so sollte man sich auch nicht vom Namen des Labels täuschen lassen, denn "ProgRock" ist hier nur eine Nuance eines stilistisch sehr abwechslungsreichen Albums. So geben vor allem die Tasten hier den Ton an, ohne dass es sich um ein zu tastendominantes Album handelt. Gill bevorzugt in den akustischen Titeln vor allem Piano, während er in den flotteren, komplexeren Songs meist auf elektronische Sounds zurückgreift, die zuweilen etwas klebrig synthetisch wirken. Dafür bekommen seine Begleiter genügend Raum für solistische Selbstentfaltung, ob nun am Saxophon, Gitarre oder beim rhythmischen Groove (u.a. beigesteuert von Dave Weckl). Zudem wechseln rein instrumentale Kompositionen mit Titeln mit Gesang ab, so dass man neben der stilistischen Vielfalt eben auch inhaltlich einiges an Abwechslung geboten bekommt. Zwar oder vielleicht auch zum Glück wagt sich Michael Gill mit seinen Mitstreitern nie zu weit weg in überbordende Komplexität bzw. erschlagende Strukturen, doch gerade in den Instrumentaltiteln hat diese lockere Spielweise ihre angenehmen Seiten. Die Arrangements lassen amerikanischen Ursprung erkennen, während der gelegentliche Gesang zwar technisch sauber, aber nicht immer passend erscheint. "Blues for Lazarus" ist kein Album für Puristen, denn für Proggies gibt es hier eindeutig zu viel Jazz, für die Jazzer verfolgt das Gebotene ebenfalls nicht eine reine Lehre und wirkt zu verwässert. Auch wenn die melancholische Neuinterpretation des Peter Gabriel Klassikers "Here comes the flood" zwar schön, aber doch etwas zu flach geraten ist, so bekommt der Grenzgänger zwischen den Genres auf diesem Album doch einige ordentliche bzw. interessante Stücke geboten.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2010