CD Kritik Progressive Newsletter Nr.68 (03/2010)

Dario Elia - Vie impervie
(52:39, VesnaHaus, 2009)

Der italienische Multiinstrumentalist Dario Elia hat auf seiner Myspace-Seite aufgelistet, welche Musiker und Bands ihn inspiriert haben. Die schier endlose Liste ist Lesegenuss für Freaks experimenteller Musik im weiten Feld zwischen Rock, Jazz und Avantgarde. (Fast) alles, was gut ist, ist dabei. "Vie impervie" ist entsprechend ein Mix aus vielen Einflüssen. Jazz, Jazz Rock, Electronic, Canterbury, Progressive Rock, Ambient, Liedhaftes, experimentelle Strukturen - und aus allem ist ein sorgfältig geschriebenes und überwiegend sehr lyrisches, zartes Rockalbum geworden. Über allem steht diese ambiente Sphäre, dieses entspannt Verträumte, von elektronischen Sounds unterlegt, die kuschelig weich den Ohren schmeicheln, aber nicht davor zurückschrecken, extrem hohe und disharmonisch schräge Sounds unterzumischen. Die Songs leben von der begnadet technischen, dabei emotional geprägten instrumentalen Einspielung, die erstklassige Basis ist für Dario Elias Gesang und den seiner Gespielinnen, Quatsch, Sängerinnen. Elia presst seine Stimme hinaus, lässt sie hauchend gleiten, kann straff wie lasch singen, mag die epische Ausprägung seiner lyrischen Intonation, seines Gesanges, und dazu die atmosphärische Begleitung der reichhaltigen instrumentalen Unterstützung. Die Songs sind überwiegend liedhaft, ohne an Pop oder Mainstream denken zu lassen. Eher kommen ambitionierte, künstlerische Liedermacher als Parallele in Erwägung, die es komplex mögen und beide Seite, instrumentale Musik und Gesang, ausgewogen und tiefsinnig ausgeprägt bevorzugen. In manchen Stücken ist nicht viel los. Doch was da so lässig vor sich hin wandelt, ist erstklassig und genau den Ton treffend gespielt. Es gibt keine Macken oder schwache Stellen. Wer schräge, harte oder komplexe Musik sucht, ist hier verkehrt und hat doch von allem. Die Mischung und Konzentration auf diese ganz bestimmte Atmosphäre, in der zarte Lyrik und verträumte Intensität die Harmonieabläufe bestimmen, und aus komplexer Musik und Jazz wie Jazz Rock (Fusion, wer's bevorzugt) die schöngeistigen Partikel nimmt, daraus ein verträumtes Meisterwerk zu präsentieren, dass seine Freunde unbedingt finden muss, sind illuster. "Vie impervie" ist elegant und trotz seines lyrisch-ambienten Charakters kraftvoll und lebhaft. Ein bisschen viel Weltschmerz steckt im Gesang und gewiss ein wenig Selbstverliebtheit. Aber Musiker und andere Künstler haben schon unter schlimmeren Macken gelitten. Electronic Progressive für das gebildete Wohnzimmer!

Volkmar Mantei



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