CD Kritik Progressive Newsletter Nr.68 (03/2010)

Upsilon Acrux - Radian Futura
(47:13, Cuneiform Records, 2009)

Witzbolde! Fangen ihren ersten Song mit schwerer dicker symphonischer Klangtapete an, die sie schnell abdrücken, um sofort mit ihrem heiteren Komplexgewitter loszulegen, von dem sie bis zum letzten Ton nicht ablassen. Die Anarcho-Komiker schmeißen bunte Modderpampe ins Publikum, nicht mit Aggression, um zu verletzen, sondern um zur gemeinsamen vergnügten Schlammschlacht einzuladen. Torten zurückzuschmeißen ist einfach: zuhören & genießen. Die Clownerie der Radikalkomplexmeister hat auf "Radian Futura" 6 Tracks, deren vier zwischen zwei und sechs Minuten lang sind - und schon hier muss man sich festhalten und anschnallen, um dem irren Freakcore folgen zu können. Doch dann, dann machen sie richtig Spaß. "Keeping rice evil" ist etwa so böse wie Frieden auf Erden, nur nicht so lauschig. Das Dings ist grandiose 28:21 Minuten lang und keine Verarschung, mit Verlaub, sondern erstklassige, holde Unterhaltungskunst für Frickelexperten mit Longtracksucht. Upsilon Acrux legen nach erstem, kurzen, unterschwellig verwirrten Soundgewaber komplex los und hören nicht mehr auf damit. Die ultrafrickeligen Unisonopartien der kompletten Band sind die irrsinnigste Comic-Parodie technisch progressiver Musik, deren Wurzeln zwischen King Crimson und Metal liegen. Doch der lustige Reigen ist beschwingt und locker, heiter geradezu, die megaschweren Verflixtkomplexe sind völlig unradikal, kein Stück aggressiv. Der pausenlos technische Sound überrascht, weil er einfach immer weiter geht und endlos Idee hat. Wo andere Komplexplatten irgendwann anfangen, anzustrengen, weil ihr harscher Sound an den Nerven nagt, macht die hier gute Laune. Für Leute, wohl gemerkt, die dieserart abgefahrenen Progsound gewöhnt sind. Die crimsonesk-deftige Entspannungsübung ist ungemein fesselnd. Zwei Gitarren, Keys, Bass und Schlagzeug donnern unaufhaltsam wie besessen voran. Das der Song 28 Minuten lang ist, irritiert indes nicht, weil eine jede davon beständig für neue Überraschungen sorgt. Und auch, wenn die Band crimsoneske Züge trägt, ist an "Radian Futura" nichts Retrospektives. Die Metalästhetik ist erstaunlich wenig hart ausgeprägt, Upsilon Acrux legen keinen Wert darauf, als Hardcore durchzugehen, sie sind eher, mit Verlaub, Softcore, aber eines ist gewiss: CORE. Danach gibt es zum Ende nur noch eine Minute Gefrickel-Poppappe, um auch wirklich genug von der Platte zu haben. Genug? Das war so schräg, das muss gleich noch mal durch die Ohren und wieder legt "In-A-Gadda-Devito" los und alles beginnt von vorn - die fangen mit schwerer dicker symphonischer...

Volkmar Mantei



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