CD Kritik Progressive Newsletter Nr.67 (12/2009)
Porcupine Tree - The incident
(55:08 + 20:35, Roadrunner Records, 2009)
Was gab es im Vorfeld der Veröffentlichung von "The incident" für widersprüchliche Aussagen bzgl. des Inhalts und der musikalischen Ausrichtung. Von weniger Härte, dem Weglassen der metallischen Gitarren der Vorgänger war die Rede, die erste CD sollte als Konzeptwerk eine Rückkehr zum früheren Sound von Porcupine Tree beinhalten und dennoch war von einem Neubeginn für die Band nach dem 2007er "Fear of a blank planet" die Rede. Die Wahrheit liegt, wie so oft, irgendwo dazwischen. Denn weder sind die harten Gitarrenriffs vollständig verschwunden, noch bekommt man hier den atmosphärischen Psychedelic Ansatz der Frühwerke "The sky moves sidewasy" oder "Up the downstair" geboten. Trotzdem ist der Ansatz der losen Songsammlung, die man auf CD1 zu hören bekommt, sehr vielschichtig und abwechslungsreich gewählt. Dafür erreichen die Songs auf CD2 keineswegs die Dichte und Klasse, die man von Porcupine Tree erwarten kann und darf. In gewisser Weise müssen sich Porcupine Tree immer auch mit ihrer eigenen Vergangenheit messen. Wäre dies das Album eines Newcomers, so fiel die Zustimmung und Bewunderung bestimmt anders aus, als angesichts der musikalischen Vorgeschichte der Briten. Die Mannen um Steven Wilson bieten die bekannten Versatzstücke, ein paar melancholische Momente hier, ein paar Soundcollagen da, dazu noch die inzwischen perfektionierten Songschreiberqualitäten mit griffigen, aber niemals belanglosen Melodielinien. Doch hat man dies eben schon um ein paar Spuren packender auf den Vorgängeralben gehört. "The incident" wirkt so mehr wie ein Flickenteppich an guten, aber nur stellenweise genialen Ideen. Das, was besonders auf dem Überwerk "In absentia" perfekt harmonierte, ist hier nur in Ansätzen zu finden. Natürlich ist dies immer noch Kritik auf sehr hohem Niveau, denn die Qualität stimmt, das spielerische Verständnis der Band von der Insel ist kompakt und auf den Punkt gebracht, doch hat man die Messlatte durch andere Alben eben sehr hoch gelegt. "The incident" stößt die Porcupine Tree Fans nicht vor den Kopf, doch hätte man sicherlich etwas mehr erwartet, auch aufgrund der wohlklingenden, euphorischen Ankündigungen im Vorfeld. Aber wer den Tatendrang von Steven Wilson und vor allem die interessanten Ansätze auf seinem Soloalbum "Insurgentes" noch im Ohr hat, dem wird gewiss sein, dass dies garantiert nicht das letzte Statement gewesen ist.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2009