CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)

Jono El Grande - Neo data
(42:26, Rune Grammofon, 2009)

Beinahe wäre diese Offenbarung an mir vorbeigegangen, doch glücklicherweise, wahrhaft glücklicher Weise ist "Neo data" in meine Hörweite geschwappt. Der Multiinstrumentalist Jono El Grande aus der experimentellen Musikszene Norwegens vereint auf "Neo data" klassischen Progressive Rock, magmaesken Zeuhl, Chamber Rock im Geiste Univers Zero, Komplexextravaganzen Frank Zappas, avantgardistische Radikalität Henry Cows und virtuose Instrumentalrasanz á la Gentle Giant mit norwegisch düsterer Folklore. Klingt übertrieben und nicht nachvollziehbar; eine glatte Lüge, nicht wahr? Jedoch, es stimmt. Die sieben Songs sind alles andere als Mainstream und machen ungemein Eindruck. Verrückt Abgedrehtes trifft auf Nonsenshumor und rhythmische Marimba-Überdrehtheiten, bis ein "echtes" klassisches Streichertrio den flott überbordenden Progressive Rock zu Neuer Musik mutieren lässt, woraus schließlich komischer lala-Gesang bricht, der in Strukturen wie zu besten Gentle Giant Zeiten führt, aus denen ein mittelalterliches Tanzlied bricht, als stamme es von Gryphon - von dieser dynamisch wechselfreudigen Vielschichtigkeit und Themenvielfalt haben alle Songs erheblich. Jono El Grande ist ein begnadeter Komponist mit dem Herzen auf dem rechten Musikfleck. Längst ist "Neo data" kein Klassikschreddermix progressiver Vorbilder, sondern ein fabelhaftes eigenständiges Werk, das klassische Rockeinflüsse der exzellenten, progressiven Art in eigenem Klang absorbiert und in überraschenden, grandios inspirierten Kompositionen mit kurzweilig tollen Arrangements und endlos wunderschönen Ideen in neuem Leben aufgehen lässt. Jono El Grande verbeugt sich vor den Altgrößen der Szene, macht sich ihre besten Einflüsse zu Eigen und reiht sich ein, als Meister unter Meistern. Wer wie er anspruchsvolle Musik so genial und keineswegs plagiativ zu kreieren, in dieser Spieldynamik, mit Witz und Vitalität so verschiedene Klangerlebnisse überzeugend zu verknüpfen weiß, der ist ein Meister. "Neo data" ist eines der ganz großen Genussalben, deren in den Bann ziehende Überraschungsenergien von Anfang bis Ende ganz ungemein Freude machen. Pflichtprogramm. Wird ein Klassiker.

Volkmar Mantei



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