CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)

Garamond - Quant'altro
(52:43, Lizard Records, 2007)

Garamond sind eine eher untypische italienische Band. Im Jahr 2006 gewannen sie den Demetrio Stratos Contest - was immer das auch beinhaltete, welche Kriterien dahinter standen - Garamond gewannen, mit Sängerin (!). Laura Agostinelli erinnert mich zuerst, und vielleicht liegt das an der italienischen Sprache und zudem an der instrumentalen Begleitung, an jene Lady, die auf einem der Alben der italienischen RIO Spezialisten Picchio Dal Pozzo den Bandnamen so markant aufsagt. Opener "Nel sogno di Otfon Brunzig, consumatore di sonno" beginnt zudem mit einem humorigen Motiv, das an die avantgardistische, keineswegs steife oder todernste Spielart der genannten Band erinnert. In der Folge sind die 15 Minuten des Openers ein komplizierter Mix aus Progressive Rock, Neuer Musik und Jazz. Der avantgardistische Charakter Garamonds ist eine weitere Parallele zu Picchio Dal Pozzo, wenn das Original, wäre schön, wenn es heute noch so etwas gäbe, qualitativ nicht erreicht wird. Garamond haben keinen Gitarristen und keine Gitarre, der melodische Mittelpunkt wird durch Tenorsaxophon, Keyboards und Violine bestritten, zudem hat die Sangeskünstlerin in den Vokaltracks erheblich Lyrics zu intonieren. Ihre kraftvolle Altstimme und die fabelhaften Gesangslinien machen den Gesang zum Genuss, Herkömmliches wie üblich in der allgemeinen Rockmusik ist nicht zu hören, obschon gerade in den beiden langen Songs, dem 15-minütigen Opener und dem 10 Minuten langen "Il gesuita millantatore" im Laufe der ausführlichen Texte das Interesse doch beansprucht wird. Die sich dem Gesang anschließende instrumentale Ausarbeitung der Komposition hat viel Biss und Rasanz, ist nicht absolut schräg, aber doch vom Winde angeweht, geht gut ab und macht Appetit auf das, was die folgenden Tracks potentiell versprechen. Die überwiegende Anzahl der Songs mit zu langen Namen ist instrumental. Komponiert hat das alles Keyboarder und Bandkopf Danilo Orlandini, der einen guten Sinn für flüssige, radikale und zugleich komplexe Arrangements hat, keine Längen zulässt und den schrägen Songs reichlich Humor impfte. Diese Mischung aus anspruchsvoller Komplexität und vitalem Instrumentalwitz machen das Hörerlebnis besonders. Unisonopassagen von Saxophon und Violine, dazu komplexes Schlagzeugspiel samt rasantem klassischen Piano sowie allerlei lustige Perkussion wie Maultrommel und ungeahnte Rhythmusbrüche und Themenwechsel überfallen den Hörer fast ständig, dass der Überraschungen viele und große sind. Manche seltsam komisch flache Nummer steckt zwischen den schnellen und aufregenden Songs, die Energie wird heruntergefahren, Schweineorgel und Saxophon, Bass und Schlagzeug reisen in die Melancholie und mit jedem Ton wird es schräger und schräger, bis die Sängerin die Fäden in die Hand nimmt und der schräge Reigen erneut einsetzt. Die Songs der CD stammen aus den Jahren 2001 bis 2005, die CD wurde bereits 2007 veröffentlicht. Ob es die Band noch gibt, neues Material eingespielt worden oder angedacht ist - das nachzuvollziehen bedarf es auf MySpace der Kenntnis der italienischen Sprache. Bitte mehr davon.

Volkmar Mantei



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