CD Kritik Progressive Newsletter Nr.66 (09/2009)

Simon Steensland - Fat agin
(56:43, AltrOck, 2009)

Der schwedische Avantrocker (der so nicht gern bezeichnet werden möchte) Simon Steensland, auch Zombie Hunter genannt, legt alle paar Jahre ein neues Album auf, das die Qualitäten der Vorgänger weiterführt und dazu neue Wege beschreitet. Die Zeuhl-Basis ist in den drei langen Tracks deutlich erhalten geblieben. Schon der Auftakt des die CD eröffnenden, 16 Minuten langen "Der Klang von "Musik"" zeigt sofort, aus wessen Universum die Komposition kommt. Diese ganz bestimmten Disharmonien auf fett wirbelnder Bass/Schlagzeugbasis, die für ungeübte Hörer dieser Spielart heftigen Kopfschmerz und Schwindel auslösen würden, sind wieder einmal der besondere Genuss für - geübte und geneigte Hörer. Multiinstrumentalist Steensland ist für das Gros der Instrumente verantwortlich, hat sich zudem einige ausgezeichnete Gäste ins Studio geholt, wie etwa Extremtrommler Morgan Ågren, der sich wieder von der besten, will meinen virtuosesten Seite zeigt, sowie Robert Elovsson (key, cl), der zuletzt in der Mats Morgan Band engagiert war. Einar Baldursson (Gösta Berlings Saga) spielt die passend schrägen Gitarrensoli, Arvid Pettersson bringt mit dem Akkordeon folkig schräge und mit dem Fender Rhodes jazztrunkene Harmonien ein. Vier der sieben kurzen Tracks, zumeist um 2 Minuten lang, aber auch deutlich kürzer, sind Vokaltracks, von einem Frauenchor und Simon Steensland "gesungen". Die feine Mischung aus Folklore und Avantgarde in der dunklen Verbindung ist eine echte Überraschung - und zeigt zudem, dass der eigenwillige Rocker Steensland ein Gespür für die historische Folklore seines Landes zeigt. "Hide & seek" ist der Höhepunkt der Chorgesänge. Die schwedische Kobaia-Crew Steensland und Ågren hat hier die größte Verstärkung gefunden. Acht Frauenstimmen drücken der düsteren, disharmonischen Komposition mit minimalistischem, lautmalerischem Gesang den Stempel auf, in der instrumentalen Phase dröhnen die Bässe, Keyboards, Harmonium und Gitarre in den tiefsten Tönen, bis die weiblichen Chorstimmen dem abgründigen Geschehen wieder etwas Licht und Leben verleihen. Das Gegenspiel ist beherzt und ausgezeichnet gelungen, dabei erheblich schräg und kraftvoll. Manches der anderen Chorstücke wirkt dagegen, als sänge eine Gemeinde nur vom Harmonium begleitet in einer weltfernen Kirche historische Lieder. Das Gruseln ist dann ganz anderer Art, so, als wohnte man einer untoten Versammlung bei. "The lion tamer" zum Schluss, über 20 Minuten lang, vereinigt Zeuhl, Jazz, abgründig dunklen Rock und Avantgarde auf extreme Weise. Im weiten instrumentalen Mittelpunkt der Komposition klingt das Ensemblespiel sehr verinnerlicht und konzentriert, erhabene und grandios komponierte und gespielte Soundgeflechte schier endlos generierend. Und das Monster ist keine Sekunde zu lang! Für Steensland-Fans ist "Fat again" ein weiteres Meisterwerk, das lange hat auf sich warten lassen. Wer den ausgefallenen und scheuen Musiker nicht kennt, und den vorhergehenden Text als Einladung liest, sollte sich die CD unbedingt besorgen. Für Eingeweihte gilt das sowieso.

Volkmar Mantei



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