CD Kritik Progressive Newsletter Nr.65 (05/2009)
Slychosis - Slychedelia
(61:57, Privatpressung, 2008)
Klingt im ersten Moment flach und unausgereift. Der popbezogene Gesang im ersten Song "Columns" ist nur öde zu nennen, was instrumental ringsumher passiert, darf getrost im Weltall verrauschen. Aber dann, plötzlich, mittendrin, stolpern freche komplexe Ideen in den Song, brechen seine Eintönigkeit auf und machen die Aufmerksamkeit hell wach. Was dann geschieht, lässt den Song über sich selbst hinaus wachsen, geradezu prachtvolle Ideen entfalten ihre Überraschungsmomente, in denen einiger Witz steckt, und schnurstracks entwischt Slychosis der neoprogressiven Welt, bricht in das komplexe Fach ein. Immer wieder wird es neoprogressiv, episch sanft, lyrisch. Und immer wieder sind die nachfolgenden vielseitigen Songs wie der erste wandlungsfähig, präsentieren eine Menge an passablen Brüchen und Wendungen, gar mal ein paar Sekunden psychedelische Farbexplosion, dramatischen Bombast, fast schon zappaesk zu nennende Komplexfrakturen, romantisch düstere Chorsamples bringen Leben in die Bude. Virtuos und mitreißend, spannend und bannend. Was, so höre ich gefesselt zu, wird in der nächsten Sekunde passieren? Manchmal - eher nichts. Dann folgt Ödnis, der falsche Planet. Dann wieder purzeln viele kleine und große Extravaganzen. Der Beginn des dritten Tracks, "Cosmic Irony", könnte ein Radiohit werden, ein unterhaltsamer Popsong, bleibt aber in der Geschwindigkeit zurück und verschenkt seine Möglichkeiten in der, dumdidumdidum, Gesangsabteilung. Als die Instrumente an der Reihe sind, wird's wieder spannend. Wechselvoll und interessant wie ein Hörspiel, ein Krimi, ein Traum. Der Rhythmusknecht ist abwechslungsreich programmiert, einige Songs wurden durch einen "echten" Drummer zugetrommelt. Das Gros des Restes erledigte Gregg Johns, dessen Projekt Slychosis zu sein scheint, von ein paar Kumpels unterstützt, unter anderem dem bluesgeschulten Bassisten James Walker, der die Chose geliebt hat, wie in den Songs zu hören ist. "Slychedelia" ist gewiss kein ausgereiftes Meilenstein-Album, aber es hat Idee, Witz, Überraschung und viel Inhalt.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2009