CD Kritik Progressive Newsletter Nr.64 (02/2009)
Revolutionary Snake Ensemble - Forked tongue
(53:01, Cuneiform Records, 2008)
Als damals in den USA die Prohibition aufgehoben worden war, füllten sich die Straßen. Kapellen hoben zu euphorischen Hymnen an, die Menschen tanzten und ein jeder dachte an den nächsten feuchtfröhlichen Augenblick. Die Enkelgeneration hat ihre eigenen Bands, Folklore, Jazz, Straßenmusik, Dixieland, Rock auf die verrückte, fröhliche, ansteckende Weise zu spielen und ihren alten Vorbildern dabei nah zu sein. Nah, aber nicht auf dem Schoß. Das Revolutionary Snake Ensemble ist vielleicht frecher und stürmischer als jede Blaskapelle vor ihr. Sie mixen die Energie von Albert Ayler (ohne die Free Form) mit der virtuosen Rhythmusverspieltheit der progressiven Rockmusik, spielen, als seien sie eine Big Band auf Koks, lassen die Kompositionen in den ausgiebigen instrumentalen Läufen weit hinter sich und forschen mit improvisativer Lust, technischem Geschick und inspiriertem Melodieverständnis neben alltäglichen Pfaden. Wichtig ist, was hinten dabei heraus kommt, war schon Olle Kohls wissenschaftliche Analyse und das, was hier hinten bei raus kommt, salopp gesagt, ist mehr als heiße Luft. In der stürmischen Einspielung ist vielleicht einiges Methan entwichen, viel mehr aber fesselnde, dynamische Musik, die sich herkömmlichen Kategorien mit Lust und Verve entzieht. Das passt wenig in Jazz, wenig in Rock, wenig in Folklore, und ebenso wenig in Avantgarde. Schlicht gesagt trifft sich hier afroamerikanischer Voodoo-Jazz-Rock mit gospelhafter Innigkeit und Art-Ensemble-of-Chicago-inniger Lebensfreude. Nicht weniger. Das Gros der Blascore-Tracks gefällt mir ungemein gut, lediglich die Adaptionen von "Down by the riverside" und "Que Sera Sera" gehen partout nicht in mein Ohr. Beiden Kompositionen ist ein neuer, viel langsamerer Rhythmus gegeben worden, was dem ersten Song die Seele raubt, und den zweiten einfach nur falsch erscheinen lässt. Aber abgesehen von diesen beiden seltsamen Komplettausfällen macht die Platte, noch mal salopp gesagt, schlicht und einfach Laune.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2009