CD Kritik Progressive Newsletter Nr.64 (02/2009)
Asturias - In search of the soul trees
(50:24, Musea, 2008)
Die größte musikalische Überraschung liefert mir zum Ende des Jahres 2008 das japanische Projekt Asturias um Mastermind und Multiinstrumentalist Yoh Ohyama. Auf der aktuellen CD überzeugen sie mich mit einer faszinierenden instrumentalen Melange aus progressiven Klängen zwischen Folk, Klassik, New Age und Rock. Die mir bisher gänzlich unbekannten Japaner sorgen mit dieser sechsten Veröffentlichung seit ihrem ersten Output im Jahre 1988 für eines meiner "CD-Highlights" des Jahres 2008. Sehr stark auf den musikalischen Pfaden von Mike Oldfield, dem deutschen Marten Kantus oder den Schweden von Tribute wandelnd, wird die CD mit feingeistigen fröhlichen Klängen ("Spirits") eröffnet. Die Melodiebögen des in zwei Kapitel unterteilten Werkes mit jeweils fünf Untertiteln werden untermalt durch einprägende akustische Töne von Gitarre, Flöte, Klarinette, Violine, Cello, Mandoline, Klavier und Glockenspiel. Hierdurch entsteht zu einem folkig bzw. New Age angehauchten Touch vor allem ein kammermusikalisches Flair, das mich schlichtweg verzaubert. Hier wird nicht avantgardistisch oder dramatisch musiziert, sondern mehr in einer locker-melodischen aber anspruchsvollen Weise mit einigen Rhythmuswechseln gespielt, so dass sich bei mir nach mehreren Hördurchläufen eine immer größere Begeisterung einstellt. Dies wird auch manchmal durch dezente lautmalerische Gesänge unterstützt. Trotzdem wird die Musik auf "In search of the soul trees" auch von lauteren elektronischen Klängen durchwürzt, wozu stimmige Töne der E-Gitarren sowie der Keyboards mit Mellotron beitragen. Außerdem hört man immer wieder fließend eingebundene Rhythmusinstrumente wie Bass, Glockenspiel, Percussions und auch hin und wieder ein sehr lebendig gespieltes Schlagzeug. Die Mischung aus akustischer Darbietung mit elektronischen Instrumenten wird ebenfalls äußerst passend umgesetzt, so dass die Magie des abwechslungsreichen Klangbildes sich auf einem permanent hohen Level bewegt. Nach 33 Minuten wird ab dem Track "Storm" sozusagen ab und zu progressiv-rockend die Sau raus gelassen. Dann lassen es Asturias schon mal Krachen, als wenn sie aus ihrem überwiegend kultivierten und anspruchsvollen Klangspektrum ausbrechen wollen. Allerdings zelebrieren sie auch dies wiederum äußerst niveauvoll. Den Interessierten der japanischen Prog-Szene sei mitgeteilt, dass auch Musiker der Bands Lu7 (Tsutomu Kurihara), Flat122 (Satoshi Hirata) und Shingetsu (Haruhiko Tsuda, Akira Hanamoto) mitwirken. Trotz aller japanischer Gegebenheiten ist diese CD für mich vergleichsweise die beste Mike Oldfield Scheibe, die Mike Oldfield nie veröffentlicht hat, da hier komplexer und variationsreicher musiziert wird. Übrigens laufen die 5 Untertitel von jedem Kapitel nahtlos wie in einem Song ineinander über. Klangauszüge gibt's bei Myspace.
Wolfram Ehrhardt
© Progressive Newsletter 2009