CD Kritik Progressive Newsletter Nr.63 (09/2008)
Il Bacio della Medusa - Discesa agl'inferni d'un giovane amante
(55:28, Black Widow, 2008)
In Italien lassen sich in den letzten Jahren zwei generelle Strömungen beobachten. Zum einen scheinen im Land mit der prägnanten Stiefelform die Bands aus den 70ern wieder Gefallen am Prog bzw. sinfonischen Sounds gefunden zu haben, denn die letzten Veröffentlichungen von z.B. P.F.M., Le Orme oder auch den New Trolls weisen eine deutliche Rückbesinnung zur eigenen glorreichen Vergangenheit auf. Doch daneben gibt es ebenfalls diverse Bands neueren Datums (wie z.B. The Watch, Finisterre, Mangala Vallis, Areknamés), bei denen ebenfalls das Retro-Gen im Körper zum massiven Ausbruch gekommen ist. Il Bacio Della Medusa gehören zweifellos der zweiten Kategorie an und bauen in jeglicher Hinsicht auf den Habitus der 70er, ohne jetzt nur als verblichenes Abziehbild durchzugehen. Ob optisch, vom Instrumentarium oder auch der Songgestaltung - hier wird in typisch energetischer südländischer Spielweise das ewig Gestrige neu, aber durchaus mitreißend interpretiert. Ohne das Wissen, dass es sich hier um ein aktuelles Album handelt, würde man diese Scheibe beim ersten Hören unweigerlich ins falsche Jahrzehnt einordnen. Weiterhin passt es ins stimmige Gesamtbild, dass man in italienischer Sprache singt und somit Hard / Progressive Rock, Psychedelic und eine Prise Folk sehr authentisch herüberkommen. Zwar braucht man etwas Zeit, um nach lyrischem, leicht klassischen Beginn in die Gänge zu kommen, doch spätestens ab dem dritten Titel gibt's hier molto Emozione und mediterranen Pathos in genau richtiger Dosierung. Dabei kommt Il Bacio Della Medusa zu Gute, dass hier eben nicht nur Orgel (zuweilen leider etwas kraftlos) und Gitarre zwischen Rock und Blues röhren, sondern durch jede Menge Geflöte und gelegentliche Saxophonstöße wird ein wesentlich vielschichtigeres Soundbild abgeliefert. Ergänzend wird zudem die klassische Schiene durch Violine und Viola bedient. Einen weiteren Bonus erarbeiten sich die Italiener mit ihrem Konzeptwerk aber nicht nur auf instrumenteller Seite, auch kompositorisch wird eine recht breite Palette bedient, die zwar hauptsächlich auf härtere Rocksounds setzt, aber genauso Raum für verspielte und ruhigere Passagen lässt. Eine gelungene Reise in die Vergangenheit, die eben nicht nur auf allseits bekannte Klischees setzt.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2008