CD Kritik Progressive Newsletter Nr.62 (05/2008)
Daltonia - Observador de un uni-verso
(45:37, Daltonia Records, 1999)
Daltonia - Fragmentos de un viaje
(42:34, Morbi Records, 2007)
Die Globalisierung schlägt gnadenlos zu. Bei Daltonia handelt es sich um eine chilenisch-argentinische Formation, die mittlerweile einen Vertriebspartner in Italien gefunden hat. Deswegen gibt's an dieser Stelle auch gleich eine Doppelrezension, die die beiden bisher erschienenen Konzeptalben der Band beinhaltet. Das bereits 1999 veröffentlichte "Observador de un uni-verso" handelt von der Betrachtung der Welt aus einer metaphysischen und melancholischen Sichtweise. Das ganze ist wie eine Art Hörspiel aufgebaut, da die einzelnen Stücke immer wieder von gesprochenen Texten überlagert werden. Kleiner, nicht unbedeutender Schönheitsfehler: der Sprecher verwendet ausschließlich seine Muttersprache, womit natürlich für diejenigen, die nicht des Spanischen mächtig sind, einiges verloren geht. Außerdem ist man ohne Textverständnis hin und wieder dann doch ziemlich genervt, dass jetzt wieder jemand unverständlich dazwischenplappert. Denn auf der anderen Seite ist die musikalische Ausgestaltung durchaus interessant ausgefallen, da Daltonia hier eine leicht verträumte, sehr melancholische Vermischung von Retro und Neo Prog bevorzugen, mit der sie in erster Linie langsam Stimmungen aufbauen. So stehen vor allem atmosphärische Soundlandschafen und dem Gesamtkontext untergeordnete eher weiche, schwebende, denn aggressive Instrumentalteile im Vordergrund. Auch wird nicht mit wilden Taktwechseln und in instrumentaler, fordernder Schnellbedienung geglänzt, sondern die melodische, harmonische Seite der Seele gestreichelt. Somit sind Daltonia gerade für die chilenische Progszene eher ein untypischer Vertreter, da man ansonsten jenseits der Anden es doch vermehrt sperrig und komplex mag. Das 2007er Album "Fragmentos de un viaje" ist in mehrerer Hinsicht eine ganz andere Geschichte. Inhaltlich geht es dieses Mal um die moderne Gesellschaft, in der sich der Hauptcharakter der Geschichte bewegt. Dementsprechend ist die musikalische Untermalung des gesprochenen Textes um einiges dynamischer, treibender und auch stilistisch ganz anders gelagert. Weg vom Neo / Retro Prog hin zu wesentlich modernerem Kunstrock mit spacigen Sounds. Statt weicher Keyboardteppiche hat jetzt vermehrt der Sampler das Sagen und auch die Gitarre heult mitunter wesentlich aggressiver und rockiger. Ebenfalls sind die Songs wesentlich kürzer ausgestaltet, mehr von funkigen Grooves und aktuellen Sounds bestimmt, kommt die Band inhaltlich viel schneller auf den Punkt. Auch hat der Erzähler wesentlich mehr Ruhepausen, wodurch die Musik doch wesentlich homogener wirkt. Obwohl silistisch keine direkte Verbindung zwischen beiden Alben gibt, gelingt es Daltonia, die jeweiligen Genreversatzstücke durchaus geschmackvoll zu reproduzieren. Dabei hat das aktuelle Werk leicht die Nase vorn.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2008