CD Kritik Progressive Newsletter Nr.61 (01/2008)
Rare Bird - Rare Bird
(44:54, Esoteric Recordings, 1969)
Rare Bird - As your mind flies by
(48:03, Esoteric Recordings, 1970)
Rare Bird wurden 1969 in Birmingham gegründet. Mit der recht untypischen Besetzung ohne Gitarre, aber dafür mit zwei Keyboardern, erschufen sie einen Sound, der vor allem auf das Zusammenspiel von Orgel und E-Piano setzte, wobei sich der eindringliche, leicht soulige Gesangsstil von Bassist Steve Gould ebenso im Ohr festsetzte. Mit ihrer ersten Single "Sympathy" (Anfang der 90er von Marillion gecovert) gelang ihnen gleich ein Hit quer durch Europa mit mehreren Top 1 Platzierungen, während die ersten beiden Alben (das Debüt war die erste Veröffentlichung auf dem legendären Charisma Label) eher im orgeldominierten, frühen Progressive Rock / Proto Prog zu Hause waren, der damit seine Verbindung vor allem zum Klassik Rock , aber auch Beat bzw. Psychedelic keineswegs leugnete. So klingt vor allem das 1969 aufgenommen Debüt für heutige Verhältnisse zwar recht angetagt und sympathisch antiquiert, lässt jedoch erkennen, dass Rare Bird, ganz im Gegensatz zur simplen, aber dennoch ergreifenden Single "Sympathy", wesentlich experimenteller veranlagt waren. Gerade die zwei Tasteninstrumente sorgen für eine angenehme, sehr warme Klangfarbe, wobei sich die Orgel klar gegenüber dem E-Piano durchsetzt. Ähnlich wie bei The Nice oder den frühen Alben von Procol Harum lässt diese Art Proto Prog erkennen, was später in den 70ern noch möglich sein sollte, während Rare Bird meist noch in der "normalen" rockmusikalischen Musiktradition jener Zeit verharren. Doch Titel wie der verspielte, pastorale Opener "Iceberg" oder das von einem expressiven Solo und knarzenden Bass durchzogene "God of war" gehen bereits in eine ambitioniertere, überaus interessante Richtung. Beim Nachfolger "As your mind flies by" setzte man dann mehr auf eingängigere Melodien und stutzte die experimentellen Ansätze des Debüts zusammen, setzte jedoch weiterhin auf den typischen, expressiven Orgelsound und einen leicht verspielten Klassik Rock Ansatz. So wurde das Album zwar zum bestverkauften Album von Rare Bird, dennoch erfüllte man damit nicht die hochgesteckten Erwartungen der Plattenfirma. Absoluter Höhepunkt dieses Albums, mit progressiver Brille betrachtet, ist der knapp 19-minütige Longtrack "Flight", der feinsten Klassik Rock (mit Bolero Zitat) mit wunderbarem Georgel und Chor bietet, aber auch durch seine Dynamikwechsel, sowie innere Spannung nachhaltig beeindruckt. Hätte das komplette Album dieses grandiose Niveau, könnte man wirklich von einem frühen Klassiker sprechen. Leider orientierten sich Rare Bird nach den ersten beiden Alben nicht nur von der Besetzung her neu und erreichten nicht mehr die Klasse ihrer Frühwerke. Beide Alben sind mit ausführlichen Liner Notes, ergänzenden Bildern aus der Entstehungszeit, sowie einigen Bonustracks (zum Teil Singles in Mono) als erstmalige Wiederveröffentlichung in Europa von Esoteric Recordings erhältlich.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2008