CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)

Poor Genetic Material - Paradise out of time
(46:00, QuiXote Music, 2007)

Es spricht für die künstlerische Freiheit und das Selbstvertrauen einer Band, wenn sie eben nicht unbedingt ein weiteres Album im von ihr erwarteten Stil veröffentlicht, sondern einfach das macht, wozu die Beteiligten gerade Lust haben. Während Poor Genetic Material zuerst als reines Instrumentalprojekt im elektronischen / Ambient Bereich zu Hause waren, folgte mit dem Jahreszeiten Zyklus der letzten vier Alben eine Hinwendung zur sinfonischen, progressiven Rockmusik mit gesanglicher Unterstützung. Mit "Paradise out of time" wird das quasi dritte Kapitel in der musikalischen Reise von Poor Genetic Material aufgeschlagen: man orientiert sich nun an der (fast) "normalen" Rockmusik, jedoch mit einer verspielten Note. Statt meist langer, atmosphärischer Stücke, die jede Menge Raum für Songentwicklung und Ausschmückungen lassen, sind die neun Titel des aktuellen Albums eher kompakt auf den Punkt gebracht, dabei weit weniger aufwendig instrumentiert und arrangiert. So stehen keine Studiotüfteleien im Vordergrund, sondern in spontanen Sessions entstanden die meist von einer relaxten Stimmung getragenen Soft-Rocknummern. Die im langsameren bzw. Mid-Tempo gehaltenen Titel werden vor allem vom Gesang von Phil Griffith (Alias Eye) getragen, während als zweite Säule Gitarrist Stefan Glomb mit sehr rockigem, aber auch gefühlvollem Spiel die stilistische Neuorientierung am meisten trägt. Die Keyboards in Form von Orgel und Klavier stehen fast vollständig im Hintergrund, dienen jedoch als geschmackvolle Untermalung. Trotzdem braucht das Album etwas, um in die Gänge zu kommen, denn mit "New phase" und "The key" startet das Album etwas verhalten. Doch spätestens mit dem wunderbaren, leicht melancholischen "Paradise" sind Poor Genetic Material in den neuen musikalischen Gefilden richtig angekommen. Auch die Gastauftritte von Violinist Oliver Berger fügen sich sehr angenehm als weitere klangliche Facette ein. Zudem gibt es im zweiten Teil des Albums einiges zu hören, was wieder mehr an die "früheren" Poor Genetic Material erinnert. "Paradise out of time" bedeutet keineswegs eine endgültige Abkehr von Poor Genetic Material von ihren Artrock Wurzeln, denn im Moment steckt die Band bereits in der Arbeit an einem konzeptionellen Doppelalbum, das musikalisch wieder eine stilistische Rückkehr ankündigt. Dennoch sollten die bisherigen Fans der Band vor dem Kauf von "Paradise out of time" sicherheitshalber erst ein Ohr riskieren.

Kristian Selm



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