CD Kritik Progressive Newsletter Nr.60 (09/2007)
Mermaid Kiss - etarlis
(60:39, Mermaid Kiss, 2007)
Ein verlockender Name: der Kuss der Meerjungfrau! Dahinter verbergen sich britische Musiker, die sich fett Symphonic auf die Flagge geschrieben haben. Evelyn Downing (lead-voc, fl), Jamie Field (ac-g, g, back-voc), Andrew Garman (key, b, dr, perc) und Nigel Hooton (lead-g, ac-g) haben Untersützung durch Kate Belcher (voc) und Wendy Marks (ob, rec) und den Gästen Troy Donockley (Uillleann Pipes) und Jonathan Edwards (key solo) eingeholt und ein sattes, sanftes, lyrisches Stück Symphonic Folk Rock eingespielt. Zwischen aufwendiger Komposition, die längere symphonische instrumentale Läufe zulässt, und liedhafter Gesangsdarbietung, die popbetont quasi jedem ambitionierten Radiokanal gefallen dürfte, gibt es einen gut gelösten Kontrast. Das Gros der Tracks schwimmt in zarter Lieblichkeit, selbst die vielschichtigen Parts tendieren zu entspannter, eingängiger und empfindsamer Leichtigkeit. Das heißt nicht, das komplette Album wäre viel zu leichte Unterhaltung. Es gibt anspruchsvolle und für den geneigten und verwöhnten Progfan durchaus hinreißende Stücke. Freunde dezenter, zurückhaltender, musikalisch erwachsener Symphonic Musik erleben in diesen schwindelerregenden Harmonien einen wahren Strudel, der sie betäubt und einlullt. 'Silence is the new loud' ist hier einmal mehr das Motto. Intelligente Musiker, die keinen Drang verspüren, als ewiggestrige Rocker verschrieen zu werden und dennoch hochqualitative, aufwendige Musik spielen wollen, stehen hinter "etarlis". Teilweise, wie etwa in "Nowhere to hide", geht das soweit, dass die Keyboards ein klassisches Ensemble illuminieren, während das Schlagzeug, oder was als solches herhalten muss, coole Computersounds spielt, um den modernen Touch zu garantieren, woraus als thematische Auflösung quasi klassische Orchesterklänge mit Perkussion führen. Die romantische, verklärende Stimmung bleibt das komplette Album über erhalten. Die späteren langen Stücke verlieren die Rockstruktur und finden zwischen dezentem Pop, pseudoklassischer Symphonie und schottischer Mittelalterfolklore einen bügelbrettunterhaltenden Sound. "etarlis" ist für Liebhaber zarter Klänge gemacht worden, die keine Angst vor einem größeren Keyboardensemble haben und Folk, Rock und Klassik auf die romantische Weise mögen. Wer es laut mag, lauscht indes dem Sturm, der die alte, in sich schräge Scheune durchzuckelt, ohne ihre Fachwerkstruktur brechen zu können und denkt über "Braveheart" nach.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2007