CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)

Vitalij Kuprij - Glacial inferno / Revenge
(51:04 + 57:20, Lion Music, 2007)

Der ukrainische Keyboarder hat den gleichen Schuhmacher wie Yngwie Malmsteen. Seine Musik lässt sich wohl am treffendsten mit Speed Power Prog Classic Metal bezeichnen, obwohl damit ja erst einmal nix gesagt ist. Neben dem Keyboarder, der als Bombast-Recke alle romantischen Klassikmetal-Kriege im Sturm nimmt, standen weitere Hardrocker auf dem Felde der Ehre. Joe Lynn Turner, Dougie White, Göran Edman, Apollo Papathanasio, Chris Catena, Shaun Leahy, John Macaluso und Randy Coven haben jeweils schon gute Jobs in Bands wie Rainbow, Yngwie Malmsteen, Ark, etc. absolviert und schlagen sich unter der Führung von Vitalij Kuprij, der als Techniker ein Meister ist, was ihm ausgesprochen zugestanden sei, sehr wohl. Hier gibt es nichts zu bemängeln, weil die Jungs nicht genug geübt oder keine Lust haben. Alle sind konzentriert und versiert bei der Sache, die Songs beider Alben - weil Vitalij halt so war, schenkt er der Hörerschaft zum regulären neuen ein Bonusalbum mit 11 Songs dazu [!] - sind dynamisch und virtuos eingespielt. Jeden Moment scheinen die Geister der romantischen deutschen Klassiker aus den Boxen zu spuken. Zwar würde denen der gestampfte Rhythmus einiges Ohrensausen bereiten, aber ansonsten gleicht die harte Rockmusik ihrem altvorderen Vorbild wie ein Ei dem Anderen. So gibt es stapelweise flotte Melodien, harmonisch liebliche Agogik-Häuflein in jedem Song, tiefe Emotionen und operettenhafte Liebseligkeit zugleich. Zum Glück ruht die Schlacht auch ab und an, zum Ende hin gehen die CDs es überhaupt gemächlicher und dezenter an, da fliegen nicht mehr so die Fetzen, halten sich Gitarre und Keyboard, die schwer zu spielende Notenskalen in Achtel- und Sechzehntelnoten en masse zu absolvieren hatten, erschöpft zurück und lassen den Hörer im balladesken Bombastrausch schweben. Die Rhythmuscrew kann es mit den szenetypischen Vorbildern - quasi alles, was aus dem Samen von Rainbow und Co. erwachsen ist - locker aufnehmen. Manch einer könnte anklingeln und den Vorschlag einbringen, solcherlei Musik sei Progressive Rock, dabei ist hier doch alles quasi ultraretro, Ende 17. bis Anfang 19. Jahrhundert inspiriert und die Progressionen finden mehr in den Notenskalen als der Beschriftung der Schublade statt (nehmt nicht immer alles so ernst!). Ist schon nett, was die Jungs so machen. Die Laune bessert sich, wenn man finsteren Gemüts den Frischzellen-Speed-Attacken und der komplett geklauten Inspiration auf dem Wohnzimmersessel hingefläzt verfolgt. Und was gute Laune macht, ist doch nicht immer nur ganz schlecht, gell?

Volkmar Mantei



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