CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)

Hoelderlin - 8
(58:52, Capitol, 2007)

Rund 26 Jahre nach ihrem letzten Album "Fata Morgana" meldet sich mit Hoelderlin eine deutsche Rockinstitution der 70er Jahre zurück, die das weite Feld des Krautrocks mit ihren poetisch-romantischen Kompositionen bereichern konnte. Im wohl dosierten Symphoniksound konnte die Band auch im internationalen Vergleich nachhaltige Akzente setzen und hat mit ihren breiflächig-intimen Klangbildern das Genre des Progrocks nachhaltig beeinflusst. Von der alten Hoelderlin-Besetzung ist lediglich noch die Rhythmussektion in Person von Bassist Hans Bäär und Schlagzeuger Michael Bruchmann mit von der Partei. In den übrigen drei Schlüsselpositionen hat sich die Band mit Sängerin und Geigerin Ann-yi Eötvös, Gitarrist Dirk Schilling und Keyboarder Andreas Hirschmann verjüngt. Die früheren Mitglieder Peter ïBüdiï Siebert (Saxophon und Klarinette) und Christoph ïNopsï Noppeney treten als Gäste in Erscheinung. Schon die ersten Töne des Openers "Angel" stellen im ätherisch dahin fließenden Klangbild klar, dass hier keine rückwärtsgerichtete Reunion zustande gekommen ist, die im möglichst originalgetreuen Klangbild längst vergangene Zeiten wieder aufleben lassen will. Solch eine musikalische Zeitmaschine war nicht das Ziel dieser Neuauflage von Hoelderlin. Vielmehr war die Band von Beginn an darauf bedacht, den poetisch-symphonischen Grundgedanken ihres Sounds aus den 70er Jahren in ein melodisches und modernes Klangbild zu überführen. Ohne jeglichen Nostalgiefaktor ist dieser Neuauflage ein schwebender Artpop gelungen, der von dem elfenartigen Gesang der Frontfrau Ann-yi Eötvös lebt. Ihre zartgliedrige Stimme haucht den Songs eine sehr intime Note ein. Die Band vereint eine melodische Eingängigkeit mit einem atmosphärisch-lyrische Rockfundament. Im Longtrack "You" tritt unvermittelt der folkige Hoelderlin-Sound der frühen 70er Jahre zu Tage, was insbesondere mit der zurückhaltenden Präsenz der Bratsche von Nops Noppeney einhergeht. Schritt für Schritt entwickelt sich in behutsamer Melodieführung ein hypnotisch-romantischer "Traumklang". Die neue Hoelderlin-Besetzung wildert zu keinem Zeitpunkt in den Gefilden der Vergangenheit herum, sondern versteht es fast perfekt, sich im modernen Klangbild des Grundansatzes des früheren Sounds der Band zu bedienen. Aus diesem romantischen, aber absolut kitschfreien Ursprung wurde etwas Neues geschaffen. "Caleidoscope" kann im geschmackvollen Duettgesang weitere Akzente setzen und bietet einen verklärten Sympho-Pop. "Come To Me" beweist sogar ein gewisses Hitpotential, ohne sich blindlings dem Kommerz auszuliefern. Im Instrumental "The Mechanism Of Antikythera" zeigt sich die Band ganz unerwartet von ihrer komplexen Seite, was die innovative Kraft dieser Neuauflage einer renommierten Formation umso mehr unterstreicht. Eine Nostalgiereise sollte hier wirklich niemand erwarten. Solch einen kunstvoll gesponnenen Pop - wie hier dargeboten - kann man sich nur wünschen.

Horst Straske



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