CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)
Dismal - Miele dal salice
(45:37, Dream Cell 11, 2007)
"Miele dal salice" ist ein atmosphärisches, soundtrackartiges Album, das mit allen möglichen Stilen spielt: Gothic, Pop, Symphonic Rock und dezente Metalanklänge mit harten Gitarrenriffs werden zu einem verträumten Sound gemixt, der Geigen, Synthesizer, Drumcomputer, Piano, Cello und weiblichen Elfengesang in süß-lieblichem Klang vereint. Gespenstische Gothic-Atmosphäre im Goblin-Erbe mit einem Hauch Devil Doll sprudelt balladesk und todessehnsüchtig aus den Boxen. In aller Lyrik und Verträumtheit gibt es auch humoreske Klänge, die exzellent eingesetzt sind und die düstere Lieblichkeit intensivieren. Clowneske Zirkus-Elemente, Balkan-Folk und mystisch-düstere Horrorklänge mit zartem, lautmalerischem Geistergesang ergänzen in hörspielartiger Weise einander. Keine Ahnung, wo Dismal eigentlich hingehören, welche Szene sie als die Ihre bezeichnen, wer die Band gern hört, vermutlich stehen Dismal mitten in der Gothic-Szene, aber ihr verwirrend vielseitiger und komplexer Musikaufbau macht die Band und ihre jüngstes Album auch für die Silence Freaks der nachwachsenden Prog Szene interessant. Der fette Symphonic-Bombast, die treibende Rhythmusaktivität, obschon zumeist elektronisch, die kribbelnd dunkle Stimmung und das mythische Flair sind überzeugend arrangiert. Dismal haben ganze Arbeit geleistet. Selbst wenn "Miele Dal Salice" nur für ein Augenzwinkern der Musikgeschichte Aufsehen erregen sollten, was mehr ist, als das Gros aller populären Musikaktiven je zustande bekommt - das Aufsehen wäre gerechtfertigt. Die opulente Pop-Oper romantisch-düsterer Natur hat keinen Hänger und ist überzeugend produziert. Tipp für den weichen Wohnzimmersessel bei wenig Licht und einem großen Glas dunklen Weines. Das Herz der Romantik, seufz!, liegt, wo sonst, in Italien.
Volkmar Mantei
© Progressive Newsletter 2007