CD Kritik Progressive Newsletter Nr.59 (05/2007)
Court - Frost of watermelon
(71:54, Privatpressung, 2007)
Rückblende: Anfang der 90er machte sich in Deutschland ein Herr namens Peter Wustmann und sein kleines Label namens WMMS daran, die Prog-Welt mit jeder Menge unbekannter Newcomer aus dem In- und Ausland zu überraschen (sowohl im positiven, wie auch leider im negativen Sinne). Zwar herrschte mehr Masse als Klasse vor, aber zu jener Zeit war man eben noch froh über jegliche Veröffentlichung aus dem Progbereich. Glücklicherweise befanden sich darunter auch einige Perlen wie z.B. Asgard oder Garden Wall, ebenso die Re-Issues von Anyone's Daughter und Hoelderlin. Da sich gerade letztere Bands wohl recht gut verkauften, schien es an der Zeit zu sein, auch konzertmäßig auf den Plan zu treten. So fanden im Longhorn in Stuttgart diverse WMMS-Festivals statt, alle mit jeder Menge Freikarten(!) versehen und hauptsächlich als Promotionsplattform gedacht. Einen der denkwürdigsten Auftritte lieferten damals Court ab. Sie standen dabei leider vor der undankbaren Aufgabe, nachdem sich nach dem Auftritt der prog-metallischen Lokalmatadoren von Ivanhoe der Saal äußerst dramatisch geleert hatte, kurz vor Mitternacht vor einer sehr überschaubaren Zuschauermenge ihren Set spielen zu dürfen. Doch der theatralische Italo Prog, sowie ein Sänger mit einer unglaublich charismatischen Bühnenpräsenz, zog die wenigen Verbliebenen sofort in den Bann - ein wirklich feiner und erinnerungswürdiger Auftritt, der definitiv ein größeres Auditorium verdient hätte. Zurück in die Gegenwart: das Label WMMS und sein Inhaber sind nach einem satten Konkurs und jeder Menge offener Rechnungen seit vielen Jahren komplett von der Bildfläche verschwunden, doch ganz überraschend kehren dafür Court nach einer sehr langen Pause mit ihrem dritten Album zurück. "Frost of watermelon", hinter dem sich die englische Übersetzung eines sizilianischen Kuchens namens "Gelamiluni" verbirgt, wartet nicht unbedingt mit einem Feuerwerk der genialen Momente oder dem vollen Retrobrett auf. Wider Erwarten sind es vielmehr die feinen, aber auch sachten Zwischentöne, sowie eine leicht verspielte mediterrane Note, die den Songs ihren Stempel aufdrücken. Hinzu kommt, dass der Opener "Men I met" eher untypisch im modernen Rocksound angesiedelt ist und sich die folkigen bzw. progressiven Einfälle langsam, aber immer konkreter werdend in die Musik einschleichen. So ist der Grundeinschlag zwar mehrheitlich im Rock mit 70er Jahre Prägung angesiedelt, jedoch sowohl folkige Flötentöne, wie auch verspielte Gitarrensoli, zerren die Lieder immer mehr in ein anderes Licht. Doch durch diese wenig offensive Herangehensweise, wie auch der eine Spur zu unauffällig wirkenden Ideen, benötigt man als Hörer mehr Zeit zur geschmacklichen Einphasung. Lässt man sich dann auf die Musik von Court ein (übrigens komplett in Englisch eingesungen), nimmt sich Zeit und erwartet nicht unbedingt einen "direkten-Schlag-ins-Gesicht" Ansatz, dann belohnt einen dieses Album vor allem im zweiten Teil. Mit leicht verträumten, ganz unterschwellig angedeuteten psychedelischen Klängen, die grob irgendwo in der Vergangenheit zwischen Folk, Progressive Rock und Rock liegen, gehören Court zweifelsohne in die Kategorie "hörenswert, ordentlich und gut".
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2007