CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)

Sebkha-Chott - Opuscripts en 48 Rouleaux
(72:26, Musea Parallele, 2006)

Um es vorweg zu nehmen: Das ist eine extrem schwierige Scheibe. Normalerweise ist mir nach einmaligem Hören sofort klar, ob ich die Musik mag oder nicht. Doch die französische Band Sebkha Chott scheint keinen Wert darauf zu legen, es seinen Zuhörern leicht zu machen. Hier sind exzellente Musiker am Werk, dass wird sofort klar. Doch kann dieses Album als gutes Beispiel dafür dienen, was passieren kann, wenn eine Band deutlich übers Ziel hinausschießt. Doch zu den Fakten: "Nagali Malidi - Opuscript en 48 rouleaux" heißt das Album, da ich aber des französischen nicht mächtig bin, kann ich leider nicht sagen um was es geht. Es handelt sich wohl um ein Konzeptalbum, dass in 48, teilweise sehr kurze Stücke zerhackt wurde, die aber alle ineinander über gehen Dabei scheint es sich die Band in den Kopf gesetzt zu haben, möglichst alle bekannten (und vielleicht auch unbekannten) Musikstile in einem aberwitzigen musikalischen Ritt miteinander zu verwursteln. Die ersten Takte beginnen mit einem schrägen Avant-Rock Gitarrenriff, doch die Musik wandelt sich schnell zu einer Art mutierten Polka mit Blasinstrumenten, die in eine fetzige Mambo-Passage (?!) übergeht. Es gibt einen französischsprachigen Sänger. Dazu auch noch Death-Metal Grunzgesang. Heftige Heavy Gitarren die in einen entspannten Reggae münden. Dann taucht auch noch eine Sängerin auf. Manche Passagen erinnern ganz entfernt an Magma oder Nebelnest, es gibt aber auch Freejazz, Metall, poppiges, Jazzrock, Punk, usw. Alles spielt die offensichtlich talentierte Band auf hohem Niveau - trotz Dauervollgas. Doch die brutalen Stilwechsel, teilweise innerhalb kürzester Zeit, die oft sehr harten und rotzigen Momente stellen die Nerven des Zuhörers auf eine harte Probe. Auf volle Länge ist dieses Album kaum durchzuhalten. Was bei Bands wie etwa den indonesischen Discus, oder auch bei The Mars Volta irgendwie funktioniert, ist hier deutlich übertrieben worden. Es fehlt ein roter Faden, der das Ganze zusammenhält. Vielleicht gibt es ja einen roten Faden, möglich dass ich in vielleicht nur nicht erkennen kann. Doch Fakt ist, irgendwie wird es wohl nur sehr wenige Zuhörer geben, die das ganze Schätzen werden. Also ein Verriss? Nein, denn den hat die Band nicht verdient. Hervorragende musikalische Fähigkeiten sind vorhanden und ein so ambitioniertes Werk muss man erstmal zustande bringen. Mit den hier verarbeiteten Ideen könnte man etliche Alben füllen, doch leider wird vieles nur fragmentarisch angerissen oder derb übertrieben. Manchmal ist weniger eben doch mehr, dann könnte es mit einem prima Album klappen. Interessanterweise gefällt mir das Album immer besser, je öfter ich es höre. Das spricht eigentlich doch für die Substanz der Musik. Oder aber mein Gehirn zersetzt sich langsam, ich bin total verwirrt. Sehr tolerante Hörer, die auf der Suche nach möglichst extremen, freakigen und abgedrehten Scheiben sind, können mal ein Ohr riskieren. Es beschwere sich aber später niemand, er sei nicht gewarnt worden!

Andreas Kipp



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