CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)
Neal Morse - Sola Scriptura
(75:59, InsideOut, 2007)
Ob es nur Zufall oder göttliche Eingebung war, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall durften dieses Mal die musikalisch leicht runderneuerten Spock's Beard vorlegen, bevor ihnen Neal Morse zeigt, wo immer noch der bärtige Prog Hammer hängt. Hier werden keine Gefangenen genommen, denn zusammen mit seinen beiden Kompagnons Randy George am Bass und Mike Portnoy am Schlagzeug, sowie Paul Gilbert (ex Mr.Big und Mitstreiter bei der Beatles Tributeband Yellow Master Custard) an der Gitarre, geht es rein in den Longsong Himmel, gibt es hier von Anfang an feinen und fett rockenden Retro Prog der Marke Morse von seiner besten und bekannten Art. Besonders überzeugend kommt der sehr hard-rockige Grundansatz dieser Scheibe zu Gute, der richtig kernig in den Hintern tritt. Mit Gilbert hat man einfach einen Gitarristen an Bord, der nicht nur einen 70s Style bevorzugt und ursprünglich aus der Hard Rock Schiene kommt, sondern der auch genügend spielerische Feinheiten in die Musik einbringt. Dass Morse als konzeptionelle Grundlage Luther und seine berühmten Thesen diente, äußert sich keineswegs in sakraler, besinnlicher Musik, sondern eher in kompromissloser Energie. Überzeugend spannt er den Bogen zwischen dem Ansatz der ehemaligen Supergroup TransAtlantic, den späteren Werken von Spock's Beard der Morse-Ära (hin und wieder schneien einige Takte von "Snow" vorbei) und natürlich seinen solistischen Werken. So gibt es reichlich orchestralen, sinfonischen Bombast um die Ohren, elegisch bis rockige Instrumentalorgien, wie auch genügend instrumentale Parts an Gitarre, Orgel und Synthie zu hören sind. Es darf auch ein latin-artiger Part nicht fehlen. Bei diesem kernigen Album fragt man sich zwangsläufig ein ums andere Mal, warum Morse nur seine ehemaligen Mitstreiter verließ. Denn bis auf die textliche Komponente, setzt er hier, noch deutlicher als bei seinen bisherigen Werken, einfach die Tradition von Spock's Beard und TransAtlantic konsequent fort. Morse bleibt sich in fast jeglicher Hinsicht selbst treu, denn neben den drei epischen Tracks, bekommt man eben auch eine schmachtende, wunderbare Ballade mit Streichern zu hören. Und es passt ebenfalls ins Bild, dass alle Instrumentalisten als homogenes Ganzes agieren. So gibt's hier zwar keine inhaltliche Überraschungen (wer hätte sie auch ehrlicherweise erwartet?), aber eben doch Neal Morse Musik auf recht hohem Niveau, bei der man eben nicht zu allergisch auf die christlichen Texte und die Worte "Lord", "God" und "Jesus" reagieren darf.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2007