CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)
Imagin'Aria - Progetto T.I.'A
(62:04, Ma.Ra.Cash Records, 2006)
Trotz einiger ordentlicher Alben haben es Imagin'Aria noch nicht recht geschafft, sich nachhaltig ins Gespräch zu bringen - Kristian hat dies bereits in früheren Rezensionen treffend auf den Punkt gebracht. Ob das aktuelle Werk mit dem eigenartigen Titel, dessen Bedeutung sich mir nicht wirklich erschließt (zumindest scheint der Bandname integriert zu sein), etwas daran ändern wird? Es klingt schon etwas anders als beispielsweise das Debütalbum. Moderner, abwechslungsreicher, nicht leicht auszurechnen. Eine treffende Kategorisierung fällt schwer, ich kann nicht behaupten, wer Band XY mag, wird dieses Album lieben. Ich bin zugegebenermaßen ein Freund bombastischer Keyboardklänge und nehme zunächst enttäuscht zur Kenntnis, dass der Fünfer offenbar ohne Keyboards auskommt, stattdessen aber mit zwei Gitarristen agiert. Doch diese puren Fakten täuschen. Gleich der Auftaktsong ist atmosphärisch geprägt von Keyboard- bzw. programmierten Sounds und auch im weiteren Verlauf klingen Imagin'Aria nicht wie eine reine Gitarrenband. Insofern also Entwarnung für den Symphonik-Fan, der ohne Tasten-Einlagen nicht auskommt, denn hier gibt es eindeutig keine reinen Saitenakrobatiken auf die Ohren. Das Intro des dreigeteilten Eröffnungstitels "S.O. Seji" erinnert mich beispielsweise mit der (gesampelten?) Frauenstimme an das letzte Goblin-Werk "nonhosonno". Im Gegensatz zu den (bis auf wenige Ausnahmen) auf instrumentale Soundtracks spezialisierten Italienern sind I'A aber nicht rein instrumental unterwegs, denn Sänger Daniele Perico spielt eine durchaus nicht unbedeutende Rolle im Gesamtkonzept. Sein in Heimatsprache vorgetragener Gesang liegt irgendwo zwischen CAP, Malibran und Maschera di Cera. Sehr stark finde ich manche ruhigen Instrumentalnummern. So z.B. das mit Ambient-Touch versehene "Fusione", mein persönlicher Favorit, das fragile, oboenartige Sounds mit programmierten Rhythmen paart, was ganz hervorragend gelingt. Im Beipackzettel ist die Rede von Floyd- und Eloy-Einflüssen, Post-Rock-Anklängen sowie modernerer Inspirationsquellen wie Porcupine Tree und No Man. Am ehesten höre ich gelegentlich mal PT heraus. Was im Infoblatt tatsächlich den Kern trifft, ist die Aussage, dass viele verschiedene Stimmungen dieses Album durchziehen. Dies ist genau die Stärke des vorliegenden Werks. Hier geht es nicht um Zurschaustellung der Künste der einzelnen Musiker. Vielmehr handelt es sich um ein atmosphärisch dichtes Konzeptalbum (übrigens aus dem Sci-Fi-Bereich) einer gut eingespielten Band, die im personellen Bereich Konstanz zeigt. Denn die Besetzung auf diesem, ihrem mittlerweile vierten Album ist identisch mit der auf dem Debütalbum "In un altro quando". Ein schönes Album, das aber, so ist zu befürchten, vermutlich trotz seiner Qualitäten wieder kein Verkaufsrenner werden wird. Daher an dieser Stelle zumindest der Hinweis, dass "Progetto T.I.'A." ein sehr interessantes Album ist, bei dem mir allerdings eine eindeutige Definition der potentiellen Zielgruppe schwer fällt - was ja durchaus sogar als Pluspunkt gewertet werden kann. Also: antesten!
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2007