CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)

Fluttr Effect - Making time
(62:57, 10T Records, 2006)

Die Zeiten, in denen Progressive Rock zum Großteil nur ein Aufkochen der Sounds und Ideen der 70er bedeutete, sind wohl endgültig vorbei. Immer mehr jüngere Bands wagen vermehrt einen Rückgriff zu progressiven Strukturen und Zutaten, die jedoch meist mit aktuellen Strömungen verbunden werden, somit bei den Puristen sicherlich nicht immer mit Wohlwollen goutiert werden. Aber egal: in der Liebe und der Musik ist eben (fast) alles erlaubt! So sind die musikalischen Grundlagen von Fluttr Effect eigentlich mehr im Alternative Rock Bereich angesiedelt, doch wird dieser ganz kräftig durcheinander gewirbelt, reichen die Einflüsse von Pop, Wave, Metal bis hin zu ganz deutlichen Prog Elementen. Die Rhythmen sind mitunter verzwirbelt, innere Brüche sorgen immer wieder für überraschende Wendungen und Widersprüche, daneben bratzelt die Gitarre einige Male richtig heftig. Die instrumentale Besetzung ohne Bass und Keyboards, dafür mit Cello und MIDI Marimba, tut ihr übriges hinzu. Allein der etwas muffige Gesamtsound stößt hin und wieder sauer auf. Als Pendant zur Musik deckt die Band ebenfalls eine sehr weit gefasste emotionale Bandbreite ab, die eine Palette von Melancholie bis Euphorie umfasst. Dies spiegelt sich auch im vokalen Balanceakt von Sängerin Kara Trott wieder, die mal Ähnlichkeiten zu Tori Amos oder Kate Bush aufweist, in den hektischen bzw. poppigen Momenten aber auch an Pop Diva Gwen Stefani (No Doubt) erinnert, immer jedoch ihre ganze Persönlichkeit einbringt. Auf "Marking time" scheint alles erlaubt, so lange es irgendwie in das Konzept der Band passt. So wandern die Songs zwischen Eingängig- und Sperrigkeit, dürfen neben traurigen Momenten ebenfalls einige kernige Passagen nicht fehlen. Trotzdem bleiben Fluttr Effect auf ihre Weise zugänglich, wagt ihr anspruchsvoller Pop / Alternative Prog einiges, aber niemals zu viel. Natürlich bewegt man sich mit so einem Ansatz immer gefährlich zwischen allen Stühlen, sind bei genauer Betrachtung Fluttr Effect eine Symbiose aus vielen Strömungen, bei denen sich kein rechter Schwerpunkt erkennen lässt. So bleibt ein unterschwelliger Eindruck einer gewissen inhaltlichen Unentschlossenheit. Interessant und auf der Höhe der Zeit ist das Material auf "Marking time" aber definitiv, da hier eine Band eine ganz eigene musikalische Sprache gefunden hat. Und ob Prog oder doch nicht Prog, ist in diesem Falle eigentlich hier nicht die Frage.

Kristian Selm



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