CD Kritik Progressive Newsletter Nr.58 (02/2007)

Dream Theater - When dream and day reunite
(77:43, Ytsejam Records, 2004)
Dream Theater - Dark side of the moon
(44:26 + 45:13, Ytsejam Records, 2005)

Das Internet als Marketing- und Vertriebskanal zu nützen, hat nicht nur den kleineren Bands neue und ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, auch bekanntere Bands nutzen zuweilen diese Form, um ihren Fans rare Aufnahmen bzw. spezielle Veröffentlichungen zugänglich zu machen. So haben z.B. neben King Crimson, Marillion oder Porcupine Tree, auch Dream Theater mit Ytsejam Records ein bandeigenes Label am Start, das seit einigen Jahren jede Menge offizielle Bootlegs veröffentlicht. Unter den Demos zu diversen Alben, Livemitschnitten und ihren traditionellen Interpretationen von kompletten Alben, stechen gerade zwei Veröffentlichungen heraus, die an dieser Stelle einmal vorgestellt näher vorgestellt werden sollen. Über die Jahre kam immer wieder die Frage auf, ob Dream Theater nicht ihr Debüt "When day and dream unite" remixen bzw. gleich neu aufnehmen wollen. Laut Aussage von Mike Portnoy bestand nie Interesse daran, das komplette Album im Studio neu aufzunehmen bzw. für einen Remix fehlen der Band die Rechte an den Originalaufnahmen. So fand man am 6.3.2004 auf der Bühne des Pantages Theater in Los Angeles eine etwas andere Möglichkeit, diesem Album eine passende Runderneuerung zu verpassen. Auf allen Touren spielten Dream Theater zwar immer wieder unterschiedliche Songs ihres Debüts, doch zur Feier des 15-jährigen Veröffentlichungsdatums wurde "When dream and day unite" von der aktuellen Besetzung komplett live aufgeführt. Wie in den Linernotes zu lesen ist, soll dies jedoch eine einmalige Angelegenheit bleiben. Wie es sich für eine richtige Geburtstagsfeier gehört, gab es bei den Zugaben noch zwei Überraschungsgäste, nämlich Charlie Dominici, den ursprünglichen Sänger von "When dream and day unite", sowie ex-Dream Theater Keyboarder Derek Sherinian. Mit diesen spielte man als Zugaben "To live forever" und "Metropolis Part 1" (letzteres mit ausgiebigen Soloparts), zwei Songs, die bereits in der Zeit 1988/89 entstanden. Einen direkten Vergleich in allen Details zwischen dem Original und dieser Neueinspielung zu ziehen, wird der Sache nicht gerecht. Nur so viel: bis auf eine leicht runderneuerte, um rund 4 Minuten längere Version von "The killing hand", hielt man sich weitgehend an die Originalarrangements - selbst beim Instrumental "Ytse Jam" wurde auf ein Schlagzeugsolo verzichtet. Lediglich bei den Keyboardsounds und einigen Soli wurden Veränderungen vorgenommen. Insgesamt kommt die Neueinspielung jedoch wesentlich druckvoller und ausgewogener aus den Boxen, haben die Songs endlich die nötige Power, die ihnen bei den ursprünglichen Studioaufnahmen fehlte. Was den Vergleich James LaBrie und Charlie Dominici angeht, so hängt vieles vom persönlichen Empfinden ab. Von der Interpretation macht LaBrie seine Sache bis auf kleinere Unsicherheiten gut, andererseits hat der Originalgesang durchaus seinen Reiz, da er in bestimmten Passagen einfach besser zur Musik passt. Aber wie gesagt hängt diese Beurteilung von der eigenen, subjektiven Empfindung ab. Letztendlich ist "When dream and day reunite" ein schönes Geschenk an die Fans, wobei man nun selbst die Wahl hat, welche Version man sich lieber anhört. In der Tradition am zweiten Abend eines Konzertes in der gleichen Stadt ein komplettes Album nachzuspielen, war bei Dream Theater auf der 2005er Tour nach "Master of puppets" von Metallica sowie "The number of the beast" von Iron Maiden mit "Dark side of the moon" von Pink Floyd ein stilistisch völlig anderes Album an der Reihe. Dabei ist es zuerst einmal wirklich erstaunlich, wie nah sich Dream Theater bei ihrer Interpretation von "Dark side of the moon" am Original orientieren. Eigentlich kann man gar nicht von einer Interpretation reden, denn hauptsächlich ging es den Musikern darum, die Atmosphäre dieses Klassikers der Rockgeschichte einzufangen und nicht durch eigene Einflüsse zu "entweihen". Wie sinnvoll nun solch eine Herangehensweise auch immer sein mag, sei dahingestellt. Dafür beweisen Dream Theater, dass sie eben nicht nur immer Vollgas geben müssen und genauso das Spiel mit den feinen Nuancen, das Zurücknehmen der eigenen Virtuosität sowie das Herausarbeiten von Stimmungen beherrschen. Jedoch: grundlegend Neues im Vergleich zum Original findet man hier nicht. Inhaltlich interessanter ist die zweite CD, da hier die Pink-Floyd-Coverversionen zum Teil einen wesentlich eigeneren Touch verliehen bekommen. Vor allem die Gitarre, aber auch Rhythmus und Tempo (z.B. bei "Sheep" oder auch "In the flesh?") sind wesentlich härter und aggressiver gehalten, ohne dabei in metallische Gefilde abzugleiten. Während Gilmours Spiel beim Original sehr viel von Gefühl geprägt ist, lässt es Petrucci lieber etwas mehr krachen, ohne dabei jedoch in emotionsloses Spiel abzugleiten, was z.B. dem Grundcharakter von "Echoes" und "One of these days" sichtlich gut tut. Einzig der Gesang von James LaBrie erweist sich nicht immer als ganz stimmig, vor allem bei "Sheep" funktioniert er nicht so richtig. Da es sich bei dieser Veröffentlichung um einen "Official Bootleg" handelt, darf man auch nicht immer einen komplett ausgewogenen Sound erwarten ("Run like hell" und "Hey you" klingen teilweise etwas dünn und blechern, bei "Comfortably numb" nervt zum Teil das asynchrone Getrommel), aber nichtsdestotrotz bekommt man hier mal eine ganz andere Seite von Dream Theater präsentiert. Beide Alben sind übrigens auch als DVD erhältlich und werden neben weiteren Veröffentlichungen exklusiv über die Website von Ytsejam Records (www.ytsejamrecords.com) vertrieben.

Kristian Selm



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