CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)

Iona - The circling hour
(64:57, Open Sky, 2006)

Manchmal ist es schon verdammt schwierig, die emotionale Verbundenheit zu einer Band einigermaßen in Zaum zu halten, wenn man eigentlich relativ wertfrei eine CD rezensieren soll. Aber egal: wie lange musste ich auf dieses Album warten, denn bedingt durch Babypause und andere nebenbandliche Aktivitäten, dauerte es geschlagene sechs(!) Jahre, bis man endlich wieder mal ein neues Studioalbum von Iona in den Händen halten durfte. Nun ist "The circling hour" endlich da, und um es kurz auf den Punkt zu bringen: das Warten hat sich gelohnt (1 Euro ins Phrasenschwein, bitte sehr!). Besonders im Vergleich zum sehr ruhigen Vorgänger "Open sky" ist das aktuelle Album wesentlich schwungvoller und rhythmischer geraten, bekommen auch die keltischen Folkeinflusse mehr Schwung und Drive verpasst. Sicherlich: Iona können wunderbar sphärisch verträumte Stimmungen erzeugen (vor allem die Frontdame Joanne Hogg bringt wiederholt das Eis zum Schmelzen), aber erst durch den rechten Pep und Dynamikwechsel beginnt ihre Musik richtig zu leben. Natürlich sind auch wieder wunderschöne Melodien, ein ausgewogener Mix aus sinfonischen und folkigen Passagen am Start, wie es Iona zum wiederholten Male gelingt, Eingängiges mit Anspruchvollem zu verbinden. Neben eingängigen, kürzeren Nummern gibt es zum Glück dieses Mal endlich wieder mehr von der sinfonisch ausufernden Vollbedingung, dem Zusammenfügen von Folk, Pop, Weltmusik und Prog. Daneben bekommt man ebenfalls sehr besinnliche, geradezu meditative Passagen geboten, vor allem Schlagzeuger Frank van Essen darf einige Male sein Violinenspiel einbringen. Durch die verschiedenen, erweiterten Klangfarben (besonders Multi-Instrumentalist Troy Donockley hat wieder einiges an Saiten- und Blasinstrumenten ins Studio geschleppt) gewinnt das Album an Facettenreichtum, erklingt einiges viel fesselnder und abwechslungsreicher als bei anderen Bands aus dem Folkbereich. Die Faszination von Iona lag schon immer darin begründet, dass die Band nicht unbedingt vordergründig agiert, sondern ihr spielerisches Können sorgsam in ihren Sound einbettet. Man hat somit nie den Eindruck, überfahren zu werden, entdeckt aber bei genauem Hinhören jede Menge faszinierende Details, was einen lang anhaltenden Hörgenuss garantiert. Und auch wenn die Band teilweise in der christlichen Rockmusik zu Hause ist, wird man hier nie mit vordergründigen bzw. platten Botschaften konfrontiert, sondern sind die Texte zumeist sehr offen und allgemein gehalten. Uns so kommt zum Schluss doch wieder der begeisterte Fan durch, denn mit "The circling hour" haben Iona einen wirklich wunderbaren Longplayer abgeliefert. Hoffentlich dauert das Warten bis zum nächsten Album nicht wieder so lange...

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006