CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)

Gígur - Fin del tiempo
(66:25, Conarte, 2005)

Gígur. Klingt irgendwie cool. Der Ort hinter diesem Namen liegt auch in einer ziemlich kalten Gegend. Es handelt sich nämlich um einen Kratersee in Island. Warum gerade eine Band aus dem warmen Mexiko, genau genommen aus Monterrey, diesen Namen wählte? Keine Ahnung. Vielleicht dachten sie einfach, dass der Name irgendwie cool klingt. Stimmt ja auch. Weiter geht's mit der edlen, künstlerisch wertvollen Verpackung. Aufklappbares Cover, interessante Bilder und Grafiken im Inneren und auch das Booklet steckt voller abstrakter Abbildungen, Gemälde und Fotocollagen. Lediglich eine Seite entlockt etwas mehr Informationen über das Trio (zusätzlich um einen Gastschlagzeuger ergänzt) aus Nordmexiko. Konzeptioniert wurde "Fin del tiempo" von Iván Tamez, seines Zeichens Gitarrist, Keyboarder und Gelegenheitssänger der Band. Aufgenommen über eine Zeitspanne von mehr als einem halben Jahr, entstanden 11 Titel, die ein sehr weites Spektrum abdecken. Damit zur Musik: Prägend bestimmen die beiden Gitarristen den Sound von Gígur, wobei die Spielart von weichen, elegischen Klängen, sphärischen Soundscapes bis hin zu härteren Riffs reicht. Letztendlich wirkt alles, bis auf einige emotionale Ausbrüche, recht relaxt, nicht überhastet, bei etwas oberflächlicher Betrachtung vielleicht auch eine Spur zu zurückhaltend. Die Stärke der weitgehend instrumental gehaltenen Musik zwischen Rock, Fusion und Progressive Rock liegt in ihrer sehr überzeugenden Interpretation, die vor allem auf geschlossene, kompakte Arrangements und innere Stimmungstiefe setzt. Würde es zudem nicht einige wenige Textzeilen in Spanisch geben, so wäre auch der örtliche Ursprung von Gígur kaum zu erkennen. Keine Latinelemente, nichts zu hören von mittelamerikanischer Lebensfreude, eher subtil und intim, hin und wieder auch recht aggressiv wird hier äußerst souverän musiziert. Doch schwenkt man ebenfalls gerne ins progressive Fahrwasser, ohne jedoch leblos die Vergangenheit zu exhumieren. Mal fühlt man sich einige Momente an die elegischen Klänge von Camel erinnert, dann wiederum geht es in kernigeres Terrain Marke King Crimson, auch wenn über weite Strecken die eigene Identität gewahrt bleibt. "Fin del tiempo" ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht das Ende der Zeit, sondern vielmehr der Start für eine durchaus interessante Band jenseits des Atlantiks.

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006