CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)

Gecko's Tear - Contradiction
(46:25, Ma.Ra.Cash Records, 2006)

Dient der Begriff "Progressive Rock" heutzutage vor allem als Stilbeschreibung, so gibt es nur wenige Bands, die im eigentlichen Sinne des Wortes "progressiv" vorgehen, sprich neue musikalische Wege beschreiten. Dies liegt sicherlich zum Großteil einfach daran, dass eigentlich schon fast alles irgendwie mit allem vermischt wurde, etwas grundsätzlich Neues zu kreieren sich somit ungleich schwieriger darstellt. Die aus Italien kommenden Gecko's Tear versuchen auf "Contradiction" auf ihre Art, aus den üblichen Begrenzungen auszubrechen und mischen in ihrer 70s Progressive Rock Interpretation jede Menge andere Elemente bei, die zum Teil für recht ungewöhnliche Brüche und Überraschungen sorgen. Dabei gelingt es ihnen mit einer unglaublichen Lockerheit aberwitzige Brüche und komplexe Passagen ganz locker aus dem Ärmel zu schütteln, um einige Augenblicke später wieder im ganz "normalen" Rockbereich zu landen. Gerade diese unverschämte Lockerheit macht Gecko's Tear sehr sympathisch. Ob nun Gitarrenläufe, die sich im Metalbereich wieder finden könnten, sphärische Keyboardsounds im Retrogewand oder sprunghafte Jazz Rock / Fusion Einsprengsel bzw. ungewöhnliche Gesangslinien, nie entsteht hier der Eindruck eines Flickenteppichs, alles passt irgendwie zusammen. Gleichzeitig handelt es sich aber keinesfalls um eingängige oder vorausschaubare Ideen, was ein dementsprechendes Einlassen auf die Musik erfordert. Überraschenderweise verzichten die Südeuropäer fast gänzlich auf Zitate aus ihrer Heimat, sprich Anleihen beim Italo Prog sind hier nur in ganz kleinen Ansätzen zu finden. Vielmehr bestimmen eher härtere Töne das Geschehen, vor allem der mehr im Hard Rock verwurzelte Gesang von Frontmann / Gitarrist / Ideengeber Claudio Roecker Mirone unterstreicht diese Ausrichtung. Doch kehrt die Band immer wieder in bekanntes Progfahrwasser zurück, ohne jedoch in übliche Plattitüden zu verfallen. Die innere Hektik, das geordnete Durcheinander, die mitunter recht schrägen Einfälle folgen einer ganz eigenen Logik, die sicherlich einige Durchläufe benötigt, um mit ihr klarzukommen. "Contradiction" ist kein klischeebehaftetes Album, das sich einfach in eine bekannte Schublade stecken lässt bzw. an ein bestimmtes Zielpublikum gerichtet ist. Doch gerade dadurch ist dieses Album recht spannend und überaus überraschend ausgefallen. Der besondere Tipp!

Kristian Selm



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