CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)

Flame Dream - Calatea
(43:26, Philips, 1978)

Das Debütalbum "Caletea" der Schweizer Band Flame Dream ist von einem feingliedrigen Mix aus symphonischen Schwelgereien und vertrackter Jazzrockästhetik durchdrungen und wird von markanten Bläsereinsätzen geprägt. Phasenweise zeugen leichfüßig dahin gleitende Saxophon-, Klarinetten- und Flöteneinlagen von einer leichten Canterbury-Inspiration, welche jedoch schnell in eine schroffe Komplexität umschlägt. Hier lassen sich dann Vergleiche mit wüstesten VdGG-Ausbrüchen ziehen. Wohl akzentuierte Mellotron-Chöre sorgen bei allem jazzrockig geprägten musikalischen Erfindungsgeist für symphonische Tupfer. Nach dem furiosen Opener "Gate to Caletea", dessen Melodieführung in sperrigen Harmonien gleichberechtigt von dominanten Bläsereinsätzen und jubilierend agierenden Tasten geprägt ist, entführt die nachfolgende Nummer "Surrey from the summit" zu Beginn in die Gefilde der schöngeistigen Träumereien. Recht bald tritt ein analoger Keyboardreigen hervor, der wie Tony Banks auf einem Jazzrock-Trip anmutet. Beherzte Bläsereinsätze runden das Ganze dann in furios-schrägen Melodiebögen ab und sprechen für die stilistische Unberechenbarkeit der frühen Flame Dream. Der Gesang wirkt recht gepresst und nicht immer ganz tonsicher, versteht es aber dennoch musterhaft, als markantes Bindeglied innerhalb der instrumentalen Vertracktheit zu dienen. Dem Insider sei gerade im Fall dieses zweiten Titels Carpe Diem aus Frankreich als vergleichbare Band genannt. Gerade zum Erscheinungszeitpunkt kam der Sound von Flame Dream der aufgeschlossenen Hörerschaft wohl wie eine jazzrockige Kreuzung aus Genesis und Supertramp vor. So etwas wie eine "Kraut-und-Rüben-Variante" der symphonischen Rocktradition. In kaum einem Titel der 70er Jahre kommt es zu einem solch abrupten Wechsel aus verklärten Schwelgereien und entfesselt-schräger Furiosität wie im Fall der Nummer "Volcano". Somit wussten sich die Schweizer auf ihrem Erstling vehement gegen den damaligen New-Wave-Pop-Trend zu stemmen. Diese jazzrockig-symphonische "Rebellion" ist ihnen auf Anhieb vortrefflich gewonnen. Es verwundert und erfreut im Nachhinein doch sehr, dass Flame Dream trotz dieser stilistischen Aufmüpfigkeit noch ganze vier nachfolgende Alben vergönnt waren.

Horst Straske



© Progressive Newsletter 2006