CD Kritik Progressive Newsletter Nr.57 (11/2006)
White Willow - Signal to noise
(51:32, The Laser's Edge, 2006)
Nach einer Unmenge von neuen Bands endlich mal wieder für den Hauptschmierfink etwas Bekanntes. Oder doch nicht? White Willow kündigten "Signal to noise", ihr aktuelles, fünftes Album der Bandhistorie als ihr bisher modernstes an. So wartet bereits der Opener "Night surf" mit aktuellen Elektroniksounds auf, klingen White Willow fast schon poppig, zumindest überraschend anders. Doch im weiteren Verlauf des Songs kommt auch wieder die Retropalette - vor allem im Keyboardbereich - zum Zuge, sorgen Flötentöne für Folkeinfluss. Dennoch klingen White Willow insgesamt aktueller, frischer, nicht mehr nur im Retrosound verwurzelt und wählen nun einen Weg, der eher an Paatos oder zum Teil auch The Gathering, denn das alleinige Schielen auf die Vergangenheit erinnert. Die Neuausrichtung von White Willow, eine wesentlich melodischere, songorientierte Herangehensweise, ohne jedoch gänzlich auf die Progwurzeln, vor allem in Gestalt von mannigfaltigem Tastenarsenal (u.a. Mellotron, Moog, Hammond) oder auch flirrende Gitarrensoli zu verzichten, wird sicherlich nicht jedem Fan der Band schmecken. Doch je öfters man sich dieses gelungene Album anhört, so macht dieser neue Weg durchaus Sinn, wenn man als Band eben nicht nur in Stagnation und dem ständigen Wiederholen des bisherigen Erfolgsrezepts verharren möchte. Da ja nicht komplett die Vergangenheit abgeschrieben wurde, ist der Schritt nicht zu extrem ausgefallen, denn mit Songs wie z.B. dem leicht crimsonesken "Ghosts", aber auch anderen, mächtigen Passagen huldigt man ganz offensichtlich den 70ern. Trotzdem verstärkt ebenso die neue Sängerin Trude Eidtang den mehr geerdeten Eindruck, das Ankommen in der Jetztzeit, da sie eben nicht nur in engelsgleichen, ätherischen Höhen wie ihre Vorgängerin trällert. So hat nun nicht nur die allseits bekannte nordische Melancholie ausschließlich das Sagen, es darf durchaus mal etwas fröhlicher und eingängiger, fast schon kommerziell musiziert werden. Dennoch macht gerade der gute Mix aus Alt und Neu, sowohl klanglich, wie auch inhaltlich, den Reiz von "Signal to noise" aus, welches zudem ohne einen einzigen Durchhänger auskommt. Den letzten Schliff verleiht diese Scheibe der dänische Produzent Tommy Hansen, der eigentlich mehr in der Hard / Heavy Schiene (z.B. Helloween, TNT) zu Hause ist, aber auch hier sein Gespür für einen transparenten, sehr organischen Sound beweist. White Willow wagen den Weg heraus aus dem verschlingerten Retro Prog Sumpf. Sicherlich werden ihnen nicht alle folgen, aber ein mutiger und absolut richtiger Schritt ist dieses Album auf jeden Fall. Macht Spaß!
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006