CD Kritik Progressive Newsletter Nr.56 (07/2006)
La Maschera Di Cera - Lux Ade
(62:33, Immaginifica, 2006)
In der italienischen Progszene haben sich die Wachsmasken-Männer bereits einen Namen gemacht. Wer aktuell produzierten Retroprog aus bella Italia mag, kommt an dieser Band kaum vorbei. Entstanden als Ableger der bekannten Formation Finisterre, deren Chef Fabio Zuffanti (Bass) und Keyboarder Agostino Marcor sich seinerzeit entschlossen, eine Band ins Leben zu rufen, die sich dem klassischen Symphonikrock verschreibt, haben sich La Maschera di Cera mittlerweile zu einem Juwel der Italoprog-Szene entwickelt. Obwohl - Juwel klingt wie Juve ... und das ist derzeit doch sehr negativ belegt. Doch Negatives vermag ich an diesem Album kaum auszumachen. Erste Neuigkeit: sie sind endlich vom Mellow Records Label losgekommen und haben das Album beim neuen Label Immaginifica veröffentlicht, dessen Besitzer nicht nur das Album produziert, sondern auch einen bekannten Namen hat: Franz di Cioccio, der PFM-Drummer/Sänger. Mal angenommen, ich hätte noch nie vorher etwas von der Band gehört und halte zum ersten Mal das Booklet in der Hand, so hätte ich sofort gedacht : "das passt ja voll in mein Beuteschema". Da lese ich nämlich z.B. "Agostino spielt organo hammond, organo crumar, mellotron, sintetizzatori, piano a coda, piano fender rhodes + davoli, VCS3, piano preparato, clavicembalo elettrico, clavinet, RMI, spinetta, celesta, theremin, corvaglizer (was immer das auch sein mag, klingt jedenfalls gut)". Wie in seligen 70er Zeiten also. Und genau dieser Agostino Marcor drückt dem neuen Album seinen Stempel auf, und er schafft es, dies trotz seiner scheinbaren Übermacht in dezenter Weise zu tun. Es wimmelt zwar nur so von Keyboards, aber gar nicht mal arg vordergründig, sondern extrem effizient und clever eingesetzt. Dass die elektrische Gitarre als Gegenpol fehlt, fällt zunächst gar nicht sonderlich auf. Sänger Alessandro Corvaglia (aha - kommt da etwa der Name corvaglizer her?) greift gelegentlich zur akustischen Klampfe, was aber eher als unauffälliges Beiwerk gedacht ist. Vielmehr setzt ein anderer Musiker weitere Akzente, nämlich Andrea Monetti, der für das Gebläse zuständig ist. Neben lyrischen Flötentönen sorgt er auch mal für etwas gewöhnungsbedürftige Einlagen, denn manchmal säuselt die Flöte auch etwas wirr in der Gegend rum. Auch eine Portion Saxophon darf es mal sein, was dann in Kombination mit einer Hammondorgel auch mal an alte Van der Graaf Generator-Zeiten erinnert. Der Gesang ist wohl dosiert eingesetzt, es ist weniger die typische italienische Schmalzstimme, sondern eher kräftiger, ausdrucksstarker Gesang, der an Maxophone oder auch Locanda delle Fate denken lässt. In dem sehr schönen "Nuove luce" erinnert mich die Gesangslinie ein wenig an ein Stück des neuen Mangala Vallis-Albums. Der auffälligste Pluspunkt ist aber, wie bereits erwähnt, die Tastenarbeit des Herrn Marcor. Ob kräftigst durchmellotronisierte Passagen, schöne Synthieinlagen, die sich mal in neoproggigen Gefilden bewegen oder auch mal an Altmeister Wakeman zu King Arthur-Zeiten erinnern, altbackene Hammondorgeln, Pianoparts, klassische Einlage - alles nicht zu aufdringlich in Szene gesetzt, sondern perfekt ins Gesamtbild eingefügt. Und ob 3-Minuten- oder 24-Minuten-Titel, es passt (beinahe) alles zusammen. Ganz großer Sport!
Jürgen Meurer
© Progressive Newsletter 2006