CD Kritik Progressive Newsletter Nr.56 (07/2006)
Ficción - Sobre la cresta de la ola
(46:41, Musea, 2006)
Bereits vor einigen Jahren grub Musea aus den Archiven Südamerikas die aus Venezuela kommenden Ficción aus. Das seit mehr als 30 Jahren bestehende Trio lieferte auf seinem Debüt "Sobre el Abismo" einen interessanten Mix aus Progressive Rock mit leichtem Jazz Rock Einschlag ab, dessen Qualität nur durch käsige, im 80er Jahre Stil gehaltene Keyboardsounds und einen recht dünnen Gesamtklang getrübt wurde. Um es vorweg zu nehmen, das zwischen 2002 und 2005 aufgenommene Material auf "Sobra la cresta de la ola" krankt leider ebenfalls genau an diesem Makel. Zu viel Höhen, zu klebrig klingende Keyboardsounds, ein zu scheppernder Gesamtklang mit viel zu wenig Power. Doch Ohren zu und durch, denn abgesehen von dieser klangtechnischen Beeinträchtigung, ist auch dieses Mal einiges vom musikalischen Inhalt durchaus spannend gestaltet und aufbereitet. In den vielen Instrumentalparts tobt sich Keyboarder Jose Ignacio Lares prächtig aus, ohne dabei nur in die üblichen Progklischees zu verfallen. Sicherlich hängt dies auch mit dem meist groovenden Fusion / Jazz Rock Teppich seiner Rhythmusfraktion zusammen, die Raum für ganz andere Instrumentalausflüge lässt. Im Gegensatz zum Debüt wird das Trio von einigen Gästen u.a. an Violine, sowie bei drei Stücken ebenfalls von Alexis Peña gesanglich verstärkt, wobei diese Titel kompositorisch hinter dem Instrumentalmaterial zurückstecken müssen. Das liegt keineswegs am Mann am Mikrofon, sondern Ficción wirken hier einfach nicht zwingend genug. Im Vergleich mit ihren wesentlich bekannteren Landsleuten von Tempano ziehen Ficción dann insgesamt den Kürzeren, womit "Sobre la cresta de la ola" wohl mehr den Spezialistenstatus für die Südamerika Afficinados erhält.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006