CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)

Solstice Coil - A prescription for paper cuts
(51:33, Privatpressung, 2005)

Mit dem reinen Retrosound der Vergangenheit hat ein Teil der neuen Generation von Progressive / Artrock Bands nicht mehr unbedingt so viel am Hut. Immer mehr finden sich bei ihnen diverse Einflüsse von aktuellen Bands wieder, weswegen auch die israelische Band Solstice Coil mit Stilmerkmalen von z.B. Radiohead oder Muse aufwartet (relativ logisch und nachvollziehbar, da sie als Coverband von eben genau jenen Bands anfing), dabei jedoch die Vergangenheit nicht völlig außer Acht lässt. Dennoch ist "A prescription for paper cuts" nicht unbedingt etwas für reine Nostalgiker. Sachte Pianolinien, eine fragile Stimme, die Worte in recht hoher Tonlage singt, die sich bei genauem Hinhören als englisch erweisen. Bereits der Einstieg in das Debüt der israelischen Formation gestaltet sich nicht gerade als Liebe beim ersten Anhören. Vor allem der immer wiederkehrende, zerbrechliche, leicht nervige Gesangsstil mit teils eigenartigen Melodiebögen wird nicht überall auf Zustimmung stoßen. Er passt jedoch perfekt zum musikalischen Gesamtpaket, das Solstice Coil hier geschnürt haben und erinnert wohl nicht rein zufällig des öfteren an Muse Frontmann Matthew Bellamy. Das Quintett aus dem nahen Osten setzt vor allem auf die Kraft der Gitarren, die mal im Alternative Rock Fahrwasser schrammeln, mal schwebend und elegisch progressives Flair verströmen, vor allem aber als atmosphärischer Taktgeber fungieren. Die Keyboards bekommen dabei eine eher untergeordnete Rolle zugeordnet, wie Solistice Coil generell mehr auf traurige Stimmungen, wechselhafte Klanglandschaften und einen kompakten Gruppensound setzen. Nichts also mit langausladenden Soloeskapaden und komplexen Breaks, selbst die beiden Songs jenseits der sieben Minuten Grenze nehmen sich hier zugunsten eines inneren Spannungsaufbaus zurück. Dennoch finden sich immer wieder Passagen, die energischen 70er Progressive Rock heraufbeschwören, der sich mit gelegentlichem Saxophon sogar bis ins Fahrwasser von Van der Graaf Generator verwagt. "A prescription for paper cuts" funktioniert vor allem durch seine inneren Wechsel, durch sachte Dynamiksteigerungen, ist insgesamt mehr ein Album, welches auf aktuelle Strömungen setzt. Ein überaus gelungenes Debüt und eine Empfehlung wert!

Kristian Selm



© Progressive Newsletter 2006