CD Kritik Progressive Newsletter Nr.54 (01/2006)
Cerebus Effect - Acts of deception
(53:31, Privatpressung, 2005)
Cerebus Effect kommen aus dem Großraum Baltimore und legen mit "Acts of deception" ihre mittlerweile dritte Veröffentlichung vor. Das meist instrumental agierende Quartett in traditioneller Besetzung (Gitarre, Schlagzeug, Bass, Keyboards) nahm sich fast das komplette Jahr 2004 Zeit, um alte Kompositionen zu verfeinern und natürlich auch neues Material einzuspielen. Der Aufwand hat sich hörbar gelohnt, denn "Acts of deception" schaffte es in kürzester Zeit in die Heavy Rotation auf der heimischen Anlage. Eines gleich vorweg: Cerebus Effect gehören nicht unbedingt zu den Vertretern von eingängigen Ideen oder schöngeistigen Melodien, bei ihnen geht es teils sehr verquer und mitunter recht komplex zu Sache, auch wenn sich die Band bei Bedarf mitunter sehr zurücknehmen kann. Die allgemeine Faszination beruht vor allem darauf, dass es den Amerikanern gelingt einen faszinierenden Stilmix auf die Beine zu stellen, der auf den ersten Eindruck recht willkürlich Elemente aus Jazz Rock, Prog, metallischen Riffs und magmaesken Zeuhl-Einflüssen vereint. Fast jedes der 11 Stücke auf diesem Album wartet mit neuen überraschenden Wendungen auf, ein weites Kaleidoskop an Sound- und Stilmöglichkeiten wird gespannt. So beginnt der Opener "Y" eher elegisch progressiv, wandelt sich aber im weiteren Verlauf immer mehr hin zu federndem Jazz Rock in der Tradition vom Mahavishnu Orchestra bzw. der Mid-70er Jazz Rock Phase von Santana. Beim folgenden "Identiy crisis" bestimmen auf einmal stampfende Zeuhl Rhythmen und fast unverständlicher Grummelgesang das Terrain. Mit dem nötigen Maß an progressiver Schrägheit und aggressiven Stakkatoattacken ist hier nichts mehr, wie beim Opener. "Dark at the end of the tunnel" ist lediglich eine Soundcollage, die als Übergang zum kurzen, aber kernigen "Illusions" dient. Was in diesem Stück in knapp 3½ Minuten an Wechseln gepackt wurde, dazu benötigen andere Bands epische Longtracks. Um die Hektik wieder rauszunehmen, folgt das wunderbar schwebende, recht verträumte und an Happy The Man erinnernde "Of mortal constraints". Doch trotz aller Wechsel wirkt "Acts of deception" in sich logisch aufgebaut, hinterlässt dieses Album keineswegs den Eindruck eines willkürlichen Flickenteppichs. Bei jedem Titel scheint so etwas wie der typische Cerebus Effect Stil durch. Mal mehr, mal weniger, dennoch im Gesamteindruck stimmig. Einzig die Produktion und auch die soundtechnische Bandbreite hätte mitunter etwas mehr Druck vertragen, doch sind bei einer Privatpressung und gerade in dieser Musiksparte auch immer finanzielle Grenzen gesetzt. Doch wenn die Band dann wieder zu ihren virtuosen Par-Force Ritten, wie z.B. beim Album abschließenden "W" aufbricht, sind diese kleinen Makel schnell wieder weggewischt. In anderen Kritiken wurden Cerebus Effect u.a. als "Allan Holdsworth mit einigen aggressiven Zappa Einflüssen" beschrieben, doch sind diese Vergleiche letztendlich unzureichend, machen aber einmal mehr deutlich, dass sich diese Band nur sehr schwer kategorisieren lässt. Doch alles Schubladendenken mal bei Seite, bieten Cerebus Effect eine abenteuerliche musikalische Reise, die zu begeistern weiß.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2006