CD Kritik Progressive Newsletter Nr.53 (09/2005)

Quidam - SurREvival
(54:48, Rock-Serwis, 2005)

In den drei Jahren seit "The time beneath the sky" passierte bei Quidam einiges. Nach dem überraschenden Ausstieg von Sängerin Emila Derkowska schien ohne prägnante "Stimme" das Ende der Band gekommen zu sein. Dieses Gerücht bekam nur weiteres Futter, als sich auch noch die komplette Rhythmusgruppe verabschiedete. Doch verlief die längere Suche nach neuen Mitstreitern für das verbliebene Trio Zbyszek Florek (Keyboards), Maciek Meller (Gitarre) und Jacek Zasada (Flöte) glücklicherweise erfolgreich, gehen Quidam mit "SuREvival" in mehrerer Hinsicht runderneuert an den Start. Die offensichtlichste Veränderung im Line Up ist natürlich Sänger Bartek Kossowicz, wodurch die Band nicht nur zum ersten mal auf männlichen Gesang setzt, sondern desgleichen eine völlige Abkehr von der polnischen Sprache hin zu englisch vollzieht. Aber auch inhaltlich präsentieren sich Quidam gewandelt, klingen sie auf "SurREvival" zum Großteil wesentlich rockiger, härter, aber auch von den Sounds her aktueller. Will man es mit einem Satz vorwegnehmen, so orientieren sich Quidam an ein musikalisch ähnliches Terrain wie ihre Landsleute von Riverside. Dafür scheint bei Quidam immer noch eine verspielte, verträumte Leichtigkeit durch, hat die Band immer noch ein Faible für atmosphärische, schwebende Passagen. Bis auf den fünfminütigen Titelsong und ein kurzes Intro bewegen sich die weiteren Titel ausschließlich jenseits der sechs Minuten Grenze, lassen also genügend Raum für inhaltliche Steigerungen und Wechsel, und diesen Platz füllen Quidam immer noch auf ihre ganz eigene überzeugende Weise. Dennoch überrascht der fast komplett geänderte Gitarrensound, obwohl mit Maciek Meller immer noch der gleiche Gitarrist an Bord ist. Bevorzugte er auf früheren Alben hauptsächlich einen weichen, elegischen Stil, so passt die rockige Erdung besser ins neue Gesamtkonzept und ist nur ein weiterer Mosaikstein im Gesamtwerk. Dennoch hat er seinem "alten" Stil nicht ganz abgeschworen und lässt bei Bedarf immer noch gefühlvoll die Saiten weinerlich heulen. Gleiches gilt für Bandleader Zbyszek Florek an den Tasten, der noch mehr auf geschmackvolle Stimmungen und Untermalungen setzt, solistisch nur selten in den Vordergrund tritt. Weiterhin jubiliert der neue Frontmann logischerweise nicht in engelsgleichen Höhen wie die Vorgängerin, kann aber stimmlich mit leicht rauchigem Organ durchaus überzeugen. Hat man sich erst einmal an die Neuorientierung gewöhnt und lässt den Vergleich mit der Vergangenheit von Quidam außen vor, dann überzeugt "SurREvival" als modernes Progressive Rock Album. Andererseits überrascht der Stilwechsel jedoch nur teilweise, denn bereits auf dem Vorgängeralbum waren bereits Tendenzen zur musikalischen Neugestaltung vorhanden, die auf dem aktuellen Output nur konsequent weitergeführt werden. So überzeugen Quidam immer noch mit einer hochmelodischen Grundausrichtung, dennoch haben vor allem Porcupine Tree einen nicht unwesentlichen Eindruck bei den Polen hinterlassen. Ein musikalisch überraschendes, aber durchaus gelungenes Comeback.

Kristian Selm



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