CD Kritik Progressive Newsletter Nr.52 (06/2005)
Popol Vuh - Das Hohelied Salomons
(43:04, SPV, 1975)
Popol Vuh - Letzte Tage - Letzte Nächte
(45:13, SPV, 1976)
Popol Vuh - Coeur de verre
(43:52, SPV, 1977)
Popol Vuh - Die Nacht der Seele / Tantric songs
(47:40, SPV, 1979)
Popol Vuh - Fitzcarraldo
(47:19, SPV, 1982)
Seit Ende Mai liegt die nächste Ladung an Wiederveröffentlichungen aus dem reichhaltigen Katalog von Popol Vuh vor, dem Bandprojekt um den Elektronikpionier Florian Fricke, der leider 2001 viel zu früh verstarb. Chronologisch starten die Re-Releases mit dem ursprünglich 1975 veröffentlichten "Das Hohelied Salomon", welches wiederum inhaltlich biblische Themen aufgreift und diese in psychedelisch-verträumten Krautrock umsetzt, somit die Tradition der Vorgängeralben "Seligpreisung" (1973) und "Einsjäger & Siebenjäger" (1974) fortsetzt. Mastermind Florian Fricke nimmt sich erstaunlich zurück, sein musikalischer Beitrag beschränkt sich lediglich aufs Klavier - von den Elektronikspielereien früherer Tage also keine Spur mehr. Die instrumentale Führungsrolle überlässt er bereitwillig Gitarrist Daniel Fichelscher, aber auch Sängerin Djong Yun übernimmt eine sehr prägende Rolle. Die leicht indisch angehauchten Kompositionen beeindrucken vor allem durch ihre relaxte Atmosphäre, graben sich aber ebenfalls in schwebender Spielweise ins Gedächtnis ein. Leider werden einige Titel viel zu früh ausgeblendet, noch bevor sie gerade in Fahrt gebracht, ihre volle Schönheit entwickeln können. "Letzte Tage - Letzte Nächte" ist ebenfalls in der gleichen stilistischen Tradition zu sehen wie "Das Hohelied Salomos", wobei das Album im Gesamteindruck noch eine Spur gitarrenlastiger, gleichzeitig ebenfalls sakraler geraten ist. Als Umschreibung fällt einem hier der Begriff "kosmischer Space Rock" ein, denn die hypnotischen Gitarrenakkorde werden langsam gesteigert, die Rhythmen bauen auf Mantra-artigen Wiederholungen auf, die durch geschickt gestaltete Intensität und inhaltliche Tiefe in voller Kraft wirken. Die Titelnamen sind wiederum im religiösen Umfeld angesiedelt, während die koreanisch stämmige Djong Yun auf diesem Werk stimmlich wesentlich weniger beisteuert, sondern bei ihren seltene Auftritten vor allem lautmalerisch begleitet. Der Soundtrack zum Werner Herzog Film "Coeur de verre" (in deutsch: Herz aus Glas) ist wiederum keine Rückkehr zu reiner Elektronik, wie man dies z.B. auch auf "Aguirre" zu hören bekommt, aber dennoch ist die Musik eine Spur spartanischer, wenn auch fast rein akustisch ausgefallen. Lediglich von Klavier, Gitarre, Flöte, Sitar und etwas Percussion bestimmt, entstanden rein instrumentale, mystisch-indisch angehauchte Gitarrenstücke, die vor allem bestens eine sehr meditative Stimmung transportieren, aber dennoch voller unterschwelliger Dramatik stecken. "Die Nacht der Seele" bedeutete wiederum einen weiteren, kleineren stilistischen Richtungswechsel in der Musik von Popol Vuh. Dieses Album wird, entsprechend des Untertitels des Albums, von tantrische Ideen beeinflusst, was sich vor allem in sehr zurückgenommenen Kompositionen (teilweise als meditative Mantras) wiederspiegelt, die hauptsächlich von sachten, repetitiven Melodielinien durchzogen sind. Letztendlich war die Hinwendung zu tantrischer Musik nur konsequent, denn Ansätze hierfür befanden sich schließlich bereits auf vorherigen Alben. So bestimmen abwechselnd Piano, Sitar, Gitarre oder Oboe die warmen, weichen Klanglandschaften, mitunter sorgen lautmalerische Vokaleinlagen für ein weiteres "Instrument". So ist "Die Nacht der Seele" sehr ruhig, intim und besinnlich geraten, ohne jedoch in leere New Age / World Music Dudelei abzugleiten. Der Soundtrack zu "Fitzcarraldo" bedeute eine weitere Zusammenarbeit zwischen Florian Fricke und dem Filmmacher Werner Herzog. Bei der wahnwitzigen Geschichte, die um 1900 spielt, will ein verrückter Visionär (wie immer am Rande des Irrsinns gespielt von Klaus Kinski) in einem verschlafenen südamerikanischen Urwaldnest ein großes Opernhaus errichten, und versucht das Geld dafür über den Transport eines Dampfschiffs durch den Urwald, quer über einen Berg, zu erhalten. Aufgrund des Themas des Films besteht die Musik zum Teil aus Klassik (u.a. mit historischen Aufnahmen von Caruso), indianischer bzw. traditioneller Folklore, aber auch der typisch meditativen Musik, die man von anderen Popol Vuh Scheiben kennt. Alles in allem jedoch eher ein echter Soundtrack, denn ein vollwertiges Popol Vuh Album. Leider noch ein Wermutstropfen am Schluss: als eher mangelhaft sind die ergänzenden Infos bzw. die Booklets dieser Reissues Serie von SPV zu bezeichnen. Fast in jeder CD befinden sich die gleichen Zitate von z.B. Klaus Schulze oder Werner Herzog, Infos zu den betreffenden Aufnahmen, sowie dem Bonusmaterial sind nur sehr rudimentär vorhanden. Da sollten sich SPV einmal ein Beispiel an liebevoll gestalteten und professionell aufbereiteten Reissues von Musea, Revisited Records bzw. Garden Of Delights nehmen.
Kristian Selm
© Progressive Newsletter 2005