CD Kritik Progressive Newsletter Nr.52 (06/2005)
Odd Udder - Odd Udder
(50:26, Privatpressung, 2004)
Aus der südbadischen Provinz stammt die Formation Odd Udder, deren im August 2004 entstandene Aufnahmen beim ersten Hördurchgang beinahe wie ein lange verschollenes Relikt aus den Siebzigern anmuten. Nach improvisiert-wüstem Intro wirkt "Open your window" wie ein Griff in die Mottenkiste. Ohne jetzt die Angaben zu der in Eigenproduktion entstandenen CD zu lesen, könnte man wirklich denken, dass es sich hier um wieder ausgegrabene Bänder von einer der vielen Bands aus der zweiten Garde des Krautrocks handelt. Mit deutlich teutonischer Prägung trägt Sängerin Linda Hauke ihren Text vor, wobei sich ihre bedeutungsschwanger dargebotenen Gesangslinien mit einer interessanten Mixtur aus spätpsychedelischem Westcoastsound, provinziellem Krautrock und britischem Artrock umschlingen. Das klingt hier so, als ob sich eine zeitgenössische Band zum Ziel gesetzt hatte, den Sound der Doors und der "urgermanischen" Amon Düül II in ein symphonisches Gewand zu übertragen. Die Vorliebe von Keyboarder Hannes Marget für die authentischen Synthiesounds der 70er Jahre trägt zum Gelingen dieser stilistischen Entdeckungsreise bei. Im Vordergrund steht der fließend-perlende Sound seines E-Pianos, der von gesampelten analogen Hammond- und Synthiesounds bereichert wird. Gitarrist Pascal Maillard umschlingt dieses nostalgische Klanggerüst mit wohl akzentuierten Einsätzen, die gerne aber auch mal beherzter zum Einsatz kommen könnten. Die Rhythmussektion in Form von Bassist Markus Ganter und Schlagzeuger Peter Martin klingt zwar angesichts des in Eigenregie im Proberaum entstandenen Albums etwas dumpf, sorgt aber durchaus für einen willkommenen Drive. Mit dem nachfolgenden "Eldorado" werden erst einmal melancholische Molltöne angestimmt, die vom getragen-pathetischen Gesang effektvoll betont werden. Kurzzeitig werden auch einmal ein paar weiche Mellotronsamples eingestreut, die möglicherweise auch von einer Begeisterung der jungen Musiker für den skandinavischen Retrosound zeugen. Mit der Instrumentalnummer "Entering Anagrom Ataf" wird vollends der Vorliebe für analoge Keyboardklänge gefrönt, wobei Gitarre und Bass urplötzlich auch für ein funkiges Element sorgen und sich mit dem symphonisch orientierten Tastenbombast vereinen. Im Titel "Meuterei" zeigen sich die jungen Badener zu Beginn von Genesis inspiriert und widmen sich dann wieder den fossilen Retroklängen mit einer kauzig-krautigen Einfärbung. Hier kommen Erinnerungen an die deutsch-italienische Formation Analogy auf, die zusammen mit der Frontfrau Jutta Nienhaus in einem ähnlichen Segment aktiv war. Der Longtrack "Geheuer" stellt den symphonisch-progressiven Höhepunkt des ersten Lebenszeichens von Odd Udder dar und schließt dieses Frühwerk einer beachtlichen Nachwuchsband ab. Sicherlich ist noch nicht alles vollständig ausgereift und klingt angesichts der Jugend der Akteure eine klitzekleine Prise zu überambitioniert. Es stimmt doch sehr froh, dass es bei den ganzen pseudoprogressiven Metal- bzw. Melodic Rock-Bands in heimischen Gefilden auch mal eine Formation gibt, die den Geist der 70er Jahre in die Gegenwart zu übertragen vermag. Wer sich im möglichst unverfälschten Retrosound beheimatet fühlt, sollte sich von dem erstaunlichen Potenzial der Band mittels einer CD-Bestellung für schlappe 6,- EUR unter der folgenden Mailadresse selbst überzeugen: odd-udder@web.de.
Horst Straske
© Progressive Newsletter 2005